Lebenszeitverkürzung um ein Jahr

Lebenszeitverkürzung um ein Jahr;
hier:   Fall des Jägers, der wie ein versicherter Landwirt bei der Schlachtung eines Schweines
tätig wird und auf der Schlachtstätte einen Sekundenherztod erleidet

Berufsgenossenschaftlich wurde seinerzeit der Witwe entschiedener Widerstand entgegengebracht, etwa diesen Fall als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

Eine wesentliche Mitursächlichkeit wurde in der verrichteten Arbeit nicht gesehen berufsgenossenschaftlich, also beim Setzen des Bolzenschutzes und dessen Mißglücken, so daß das Schwein sich heftig wehrte.

Mit letzter Not konnte der Jäger das Schwein noch erstechen, bevor ihn selbst das Schicksal ereilte.

Gerichtlich befand man überraschend in der II. Instanz, d.h. in der Berufungsverhandlung, und zwar nach Lektüre eines Kurzkommentars während der Verhandlung durch einen der beisitzenden Berufsrichter, daß in jedem Fall eine Lebenszeitverkürzung um ein Jahr festgestellt werden müßte, um den Versicherungsschutz zu gewähren.

Demgegenüber handelt es sich bei der Erwägung einer Lebenszeitverkürzung um ein Jahr um eine Hilfsüberlegung, die dann anzustellen ist, wenn anderweitig nicht eine wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung feststellbar ist.

Obwohl das Landessozialgericht die Revision nicht zuließ, ging der Fall nach Nichtzulassungsbeschwerde in die Revision, wo das Bundessozialgericht klarstellte, daß bei den Todesfällen nicht in jedem Fall eine Lebenszeitverkürzung um ein Jahr gefordert werden dürfe, sondern, daß es sich dabei um eine Hilfsüberlegung handelt.

Die Sache wurde an das Landessozialgericht NRW zurückverwiesen und endete in einer mündlichen Verhandlung, bei welcher ein Terminsachverständiger, ein Kardiologe, geladen war.

Nach langwierigem hin und her gestand der Kardiologe schließlich ein, daß bei dem mißglückten Vorgang der Schweineschlachtung der elektrische Betriebshaushalt des Versicherten zusammengebrochen sei, weshalb der eingetretene Tod als Arbeitsunfallfolge angesehen wurde und zur Entschädigung der Witwe führte.

Das unglückliche Hilfsinstrument einer Überlegung, ob die Lebenszeit um ein Jahr verkürzt worden ist, führt nicht nur in diesem Fall zum Mißverständnis sondern auch in vielen anderen Fällen, so daß dann im Ergebnis eine Entschädigung daran scheitert, weil die Lebenszeitverkürzung um ein Jahr nicht feststellbar ist.

Also größte Vorsicht bei diesem Einwand, daß die Lebzeiten des Versicherten nicht um ein Jahr verkürzt worden wären.

Anmerkung:

Die ursprüngliche Berufungsverhandlung beim Landessozialgericht verlief in außerordentlich feindseliger Atmosphäre gegenüber der rechtsuchenden Partei, was im Berufungsverfahren keineswegs hinnehmbar ist, gleichwohl aber hin und wieder passiert.

Die Mandantschaft muß sich eben nicht nur der Berufsgenossenschaft erwehren, sondern ggf. auch der Sozialgerichtsbarkeit.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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