Verbotswidriges Verhalten

Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsfalls konnte das Bundessozialgericht – Az. B 2 U 23/10 B – im folgenden Fall nicht abgewinnen, wo es dem Kläger um die Beachtung der Vorschrift des § 7 Abs. 2 SGB VII ging:

„Verbotswidriges Verhalten schließt den Versicherungsschutz nicht aus.“

Das Bundessozialgericht mochte nicht darauf eingehen offenbar, daß es in einem Widerspruch steht, wenn einerseits der Gesetzgeber vorgibt, verbotswidriges Verhalten schließe den Versicherungsschutz nicht aus und wenn dann andererseits das Bundessozialgericht ab 1,1° die Blutalkoholkonzentration durch Leistungsausschluß gewissermaßen ahndet.

In der Nichtzulassungsbeschwerde war ausgeführt worden:

„Ob ein nichtalkoholisierter Versicherter derart verunglückt wäre, diese Frage stellt sich wegen § 7 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII eben nicht, wenn man das Gesetz ernst nimmt und die Auslegungsvorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I, bei Auslegung der Vorschriften sicherzustellen, daß die sozialen Rechte des Anspruchstellers möglichst weitgehend verwirklicht werden.“

Grundsätzliche Bedeutung hat dies schon, wenn gesetzwidrig hier ein Kläger durch Rechtsprechung und Berufsgenossenschaft gewissermaßen strafrechtlich abgestraft wird, also nach den strafrechtlichen Grundsätzen der absoluten Fahruntüchtigkeit.

Unter Beachtung des § 7 Abs. 2 SGB VII ist demgegenüber festzuhalten, daß der Kläger und schwerverletzte Versicherte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung noch fahrtüchtig war, ernstlich den Heimweg zurückzulegen, was er auch bis zu diesem Zeitpunkt schon 10 Minuten lang unternommen hatte.

Dabei war die Blutalkoholkonzentration dem Beruf des Klägers geschuldet, der selbständiger Gastwirt war.

Nunmehr ist seine Existenz zerstört und Berufsgenossenschaft wie Sozialgericht halten vorliegend gegen die Anwendung des § 7 Abs. 2 SGB VII in diesem ernsten Fall.

Offenbar gilt dies getreu der Regel, „daß nicht sein kann, was nicht sein darf“, auch wenn der Gesetzgeber dies anders sieht.

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Überprüfungsantrag wegen eines Wegeunfalls

Überprüfungsantrag wegen berufsgenossenschaftlicher Ablehnung eines entschädigungspflichtigen Wegeunfalls;
hier: Blutalkoholkonzentration des Versicherten zum Unfallzeitpunkt 1,19 Promille

Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten strafte durch Abbruch des Heilverfahrens und Ablehnung der Entschädigung den selbstständigen versicherten Gastwirt ab, und zwar unter strafrechtlicher Argumentation, daß der Versicherte beim Eintritt des Unfalls mit dem Motorroller absolut fahruntüchtig gewesen ist.

Damit in unüberbrückbarem Widerspruch steht die gesetzliche Vorgabe des § 7 SGB VII:

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

Verbotswidriges handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.“

Wie kommt also die Berufsgenossenschaft dazu, hier strafrechtlich abzuurteilen einen Fall, den diese Berufsgenossenschaft wiederum sozialrechtlich zu entschädigen hat.

Die Berufsgenossenschaft wendet im Ablehnungsbescheid bzgl. des Zugunstenbescheides ein, daß kein neuer Vortrag im Überprüfungsantrag erkennbar sei.

Damit wiederum wird das Recht des Betroffenen nach § 44 SGB X verkürzt, Überprüfung zu beantragen.

Es wird auf BSG – B 2 U 24/05 R – Bezug genommen, wo es heißt:

„Im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X haben Verwaltung und Gerichte auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers zu prüfen, ob bei Erlaß des bindend gewordenen Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt wurde.“

Daran fehlt es vorliegend nun deutlich im neuen Bescheid.

Wichtig ist überdies das Zitat des Leitsatzes 2 der genannten BSG-Entscheidung, wo es heißt:

„Solange ein bei der Arbeit unter Alkoholeinfluß stehender Versicherter mit der zum Unfall führenden Verrichtung ausschließlich betriebliche Zwecke verfolgt, kann der sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nur verneint werden, wenn der Betreffende so alkoholisiert war, daß er nicht mehr zu einer dem Unternehmen dienenden zweckgerichtete Ausübung seiner Tätigkeit in der Lage war.“

Auch von daher war der Widerspruchsführer noch in der Lage, zweckgerichtet den Heimweg fortzusetzen, als dann der schwere Wegeunfall passierte.

Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten schuldet also die Anerkennung in diesem Fall.

Tatsache aber ist, daß die Sozialgerichte die Berufsgenossenschaften darin bestätigen, wenn diese den Sozialrechtsfall strafrechtlich abstrafen gewissermaßen, statt das Sozialrecht wie zitiert anzuwenden.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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