Update: Berufskrankheit COPD nach 2 Quarz-Feinstaubjahren

DER UM SEINE GESUNDHEIT UND SEINE
BERUFSKRANKHEITENENTSCHÄDIGUNG GEBRACHTE DEUTSCHE
BERGMANN

EIN UPDATE ANLÄSSLICH DER EINFÜHRUNG DER NEUEN
BERUFSKRANKHEIT COPD NACH 2 QUARZ-FEINSTAUBJAHREN

In den goldenen Zeiten des Bergbaus, d.h. in der Wirtschaftswunderzeit, wo der Bergmann noch der Held der Nation war, wurde berufsgenossenschaftlich der Eindruck vermittelt, daß es im Prinzip nur die Steinstaublunge, d.h. die Silikose und ihre Komplikation in Form der Silikotuberkulose seien, an denen der Bergmann erkranken könnte.

Die Arbeitsverhältnisse ansonsten wurden in Ansehung von Atemwegserkrankungen als unkritisch angesehen, etwa die Belastung gegenüber Kohlenstaub und die daraus resultierende Anthrakose.

Dies hielt sich, die Annahme nämlich, daß die Arbeitsverhältnisse unter Tage ansonsten in Ansehung der Atemwegserkrankungen unkritisch seien, bis in das dritte Jahrtausend, d.h. gewissermaßen bis in die heutige Zeit.

Gleichwohl griff unsere Anwaltspraxis ab Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit bundesweit auch die Fälle auf, wo die Berufsgenossenschaft allenfalls eine beginnende Silikose feststellen mochte, der Atemwegsschaden selbst aber wäre durch eine schicksalhafte obstruktive Bronchialerkrankung zu erklären.

Nachgerade bei jeder abgelehnten Silikose wurde also unsererseits Antrag auf Anerkennung dann eben einer Berufskrankheit 4301/4302 (Asthma Bronchiale/Obstruktive Atemwegserkrankung) gestellt. Dabei konnte also einmal die Ablehnung einer Silikose dem Grunde nach oder aber die Ablehnung einer Entschädigungspflicht für die dem Grunde nach anerkannte Silikose vorausgegangen sein.

Von letzterer Art fallen jährlich etwa 1.500 Fälle im Schnitt der Jahre an.

Schwerste Schäden für die Bergleute brachte die Änderung der Begutachtungspraxis, durch die sog. Moerser Konvention in den 70er Jahren einsetzend mit sich.

So wollte man offenbar gutachterlich und berufsgenossenschaftlich nur noch dann eine rentenberechtigende MdE für die Verletztenrente anerkennen, wenn eine Silikose nach der sogenannten ILO Klassifikation 3/3 feststellbar war.

In der Erfahrung und Erinnerung des Verfassers befinden sich Fälle, die zuvor mit 70% MdE als Staublunge bedacht waren, nach der Moerser Konvention aber nunmehr nur noch wohlwollende 20 % MdE ausmachen sollten.

Berufsgenossenschaftlich ging damals parallel zu der Anwendung der Moerser Konvention eine Meldung durch die Medien, daß die schweren Fälle an Silikose rückläufig seien.

Tatsächlich aber war nur die Begutachtungspraxis geändert worden, mit dem fatalen Ergebnis, daß die Rentenwerte um 50 % gekürzt werden konnten.

Die Auswirkungen der Moerser Konvention betreffen aber nicht nur die damals erkrankten Bergleute, sondern auch jeden Neufall einer Silikoseerkrankung, der auch lange nach der Pensionierung des Bergmannes auftreten kann.

Was die Berufsgenossenschaft und mit ihr die Gutachter unterlassen, ist die Prüfung im Sinne einer sog. abstrakten Schadensberechnung, Anstellung eines Vergleichs vorher/nachher, in welchem Umfang durch die festgestellte Silikose
Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entfallen sind.

Diese Prüfung schreibt nunmehr das Gesetz sogar selbst zwingend vor, § 56 Abs. 2 SGB VII.

Frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, daß aus prophylaktischem Ansatz entfallende Arbeitsplätze bei Feststellung einer MdE für eine entstandene Silikose nicht mitzuberücksichtigen wären, sind aufgrund der Fassung des Sozialgesetzbuches VII, hier § 56 Abs. 2 SGB VII überholt.

Zum Beweis dessen wird der Gesetzeswortlaut an dieser Stelle wörtlich wiedergegeben.

§ 56 Abs. 2 SGB lautet im ersten Satz wie folgt:

„Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.“

D.h.. nach dem Gesetzeswortlaut ist in erster Stufe zu prüfen, ob eine körperliche Beeinträchtigung vorliegt.

Eine Silikose stellt eine Vernarbung dar, und zwar in der Lunge, die dadurch versteift
ist.

In der zweiten Stufe stellt sich dann die Frage nach der Verminderung der Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.

Nach Zählungen der IG-Metall war vor der Wiedervereinigung seinerzeit für die alten Bundesländer festzustellen, daß 9 Mio. Arbeitsplätze atemwegsbelastet waren.

Diese Erwerbsmöglichkeiten entsprechend belasteter Art entfallen für einen Bergmann, bei dem eine Silikose festgestellt ist.

Daraus errechnet sich dann nach der zwingenden Vorgabe des Gesetzes der Rentensatz.

Ergibt die MdE einen Satz von 20 % (Einstiegssatz), entspricht das grob gesagt 20 % des Nettoeinkommens, das jährlich zu dynamisieren ist entsprechend den Rentenanpassungsgesetzen und -Verordnungen.

Diese Leistungen setzen einen konkreten Verdienstausfall nicht voraus, weil abstrakte Schadensberechnung, und sind steuerfrei.

Offenbar aus Kostengründen wurde berufsgenossenschaftlich die Anerkennung und Entschädigung von Silikosen außerordentlich restriktiv gehandhabt, obwohl in keinem Fall der Röntgenbefund einer Silikose dem klinischen Bild entspricht, das sehr viel schlimmer ausfallen kann.

Aber nicht nur in den jährlichen 1.500 Silikosefällen, die nur dem Grunde nach anerkannt werden, wird die Entschädigung zu Unrecht abgelehnt.

Auch die berenteten Silikosen werden mit zu niedrigen Rentensätzen bedacht, indem man immer wieder berufsgenossenschaftlich versucht, die Obstruktionen in den Atemwegen als schicksalhaft hinzustellen.

Selbst die Erweiterung der Berufskrankheitenliste um die Fälle der Berufskrankheit 4111 (chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren) hat für die Bergleute der ersten Stunde und der 50er, 60er, 70er Jahre keine Erleichterung gebracht.

Denn Fälle aus der Vorzeit vor der Erweiterung der Berufskrankheitenliste zum 01.01.1993 werden nicht entschädigt.

Die Berufsgenossenschaft prüft also, ob die chronische obstruktive Bronchitis oder das Emphysem schon vor dem Stichtag aufgetreten ist, also bereits in 1992 oder früher, und lehnt mit dieser Begründung die berufsgenossenschaftliche Entschädigung auch dann ab, wenn der Versicherte etwa 150 Feinstaubjahre entsprechender Art aufweist.

Freiwillig prüft die Berufsgenossenschaft in solchen Fällen nicht, ob denn dann nicht wenigstens eine Berufskrankheit Nr. 4301/4302 festzustellen ist.

Ein weiteres Kapitel sind die unter Tage erlittenen Asbestkrebsfalle, insbesondere in Form der Asbestmesotheliome, Berufskrankheiten 4103 bis 4105, welch letztere in deutlicher Anzahl aufgetreten sind.

Unsere Anwaltskanzlei hegt die Befürchtung, daß unter Tage zu Zwecken des Brandschutzes auch Asbest zum Einsatz gekommen ist.

Asbesteinwirkungen können Untertage auch von Kupplungen und Bremsbelägen und
ähnlichem ausgegangen sein.

Mitglieder der Grubenwehr konnten gegenüber asbesthaltigen Feuerschutz oder
Atemschutz exponiert sein.

Untertage wurden auch elektrische Leitungen/Schaltkästen asbestisoliert. Jedenfalls zeugt die hohe Zahl von im Bergbau aufgetretenen Asbestmesotheliomen für erhebliche Einwirkungen Untertage.

Schließlich stellt sich heraus, daß seinerzeit asbesthaltige Staubmasken unter Tage verwendet worden sind, welche für die Entstehung des Mesothelioms ursächlich wurden.

Aber auch Lärmbelastungen können entschädigungspflichtig sein, was die Lärmverhältnisse Untertage anbetrifft, BK Nr.2301, genauso wie berufliche Wirbelsäulenerkrankungen, z.B. der Lendenwirbelsäule, BK Nr.2108 und die zeniskuserkrankungen/Gonarthrosen, BK 2102/2112.

Daß etwa eine Stützsituation aus Anlaß einer dem Grunde nach anerkannten Silikose und einer Lärmschwerhörigkeit meßbaren Grades anerkannt würde, konnte der Bergmann bis zu der Entwicklung der sogenannten Bochumer Empfehlungen nicht hoffen.

Angeblich sollte eine Silikose unterhalb einer MdE von 20 % nicht meßbar sein, also keine solche in Höhe der MdE von 15 oder 10 %, so die Praxis bis zur Bochumer Empfehlung.

Daß dies nicht richtig war, folgte damals wie heute schon aus den Regeln der abstrakten Schadensberechnung und aus der Tatsache, daß es sogar Röntgenbefunde gibt, die die Silikose bereits nachweisen.

Die Berufsgenossenschaften leiten regelmäßig keine Feststellungsverfahren zu den unterschiedlichen Atemwegserkrankungen, die Untertage erworben werden können, ein, weil die betreffenden Schadstoffbelastungen vom Versicherten nicht bezeichnet werden oder werden können.

Demgegenüber muß deutlich gesagt werden, daß es Amtsermittlungspflicht der Berufsgenossenschaft ist, die auftretenden Schäden und Belastungen zu ermitteln und zu entschädigen, statt etwa nur eine Quarzstaubbelastung zu prüfen und deren Entschädigungswert in Abrede zu stellen, bis 2008 gestützt auf eine höchst anfechtbare Moerser Konvention.

Erstaunlich ist die Entwicklung, die die Berufskrankheit 4111 genommen hat.

Obwohl bei Einführung der BK Nr. 4111 die Arbeitsmediziner bei der Prüfung der Epidemiologie und Kohorten die Feinstaubjahre nach der Berechnungsmethode von Prof. Bauer zugrunde gelegt haben, werden flächendeckend den Bergleuten angeblich konkreter Berechnungen auf der Basis arbeitgeberseitiger Messungen entgegengehalten, die eigentlich immer weit hinter den Vergleichsberechnungen nach Prof. Bauer zurückbleiben.

Das heißt bei der Entschädigung wird eine andere Berechnung, die sich offenbar nachteilig für die Betroffenen auswirkt, angewendet als diejenige, die den Studien zu der eigentlichen Berufskrankheit 4111 zugrunde lag.

Durch die Formulierung in der Regel 100 Feinstaubjahre ist der Tatbestand der Berufskrankheit relativ offen gefasst.

Nun soll aber nur der Nichtraucher bereits bei weniger als 100 Feinstaubjahren Berücksichtigung finden, obwohl doch der Raucher noch viel eher durch eine zusätzliche Feinstaubjahrbelastung erkranken dürfte als der Nichtraucher oder Nieraucher.

Es verbleibt das Geheimnis der BG RCI als Fachberufsgenossenschaft, weshalb im Falle einer BK Meldung bspw. zur BK Nr. 4101 im Falle einer Ablehnung nicht auch die BK 4111, 4301, 4302 oder 1315 geprüft werden.

Mit Sicherheit wird auch die neue Berufskrankheit Chronische obstruktive Atemwegserkrankung einschließlich Emphysem bei Nachweis von 2 Quarz-Feinstaubjahren nach § 9 Absatz 2 SGB VII nicht von Amts wegen seitens der Berufsgenossenschaften geprüft werden sondern erst auf entsprechenden Antrag eines Versicherten hin.

Die Unterlassungen der Berufsgenossenschaft sind mannigfaltig, was die arbeitstechnischen Bedingungen anbetrifft und später die Entschädigungspraxis, daß der betroffene Bergmann offenbar auf den Rechtsweg angewiesen ist, weil die Berufsgenossenschaft praktisch freiwillig nicht zu zahlen bereit ist, was die Pilotfalle des Bergarbeiteremphysems anbetrifft, bei Nachweis von 100 Feinstaubjahren, was die dem Grunde nach anerkannten Silikosen von 1.500 Fällen im Jahr anbetrifft, usw.
Nicht einmal die gesetzlichen Übergangsleistungen bei Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit durch den Bergmann für die Verdienstausfälle in den ersten fünf Jahren scheinen garantiert zu sein, welche neben der Verletztenrente z.B. aus Anlaß einer Silikose zu gewähren waren oder sind.

Schließlich muß man sich fragen, ob in Anbetracht der schlimmen arbeitstechnischen Gegebenheiten unter Tage, wie im Anhang beschrieben, die Schmerzensgeldansprüche des Bergmanns gegen den Arbeitgeber vom Gesetzgeber wirksam haben ausgeschlossen werden können und ob tatsächlich in die Verletztenrente ein Schmerzensgeld eingeschlossen ist, wie das betreffende Bundesministerium in einem
Fall des Petitionsausschusses beim Deutschen Bundestag behauptet hat.

Bei Ablehnung des Versicherungsfalles durch die Berufsgenossenschaft haftet ggf. Der Arbeitgeber nach § 670 BGB analog für die Schäden aus gefährlicher Arbeit, eben weil der Lohn nicht die Einbuße an Gesundheit und Leben ausgleicht.

Hier ist eine beachtliche Altlast zu verzeichnen, welche hilfsweise die ehemaligen Arbeitgeber treffen kann, wenn die BG nicht anerkennt bzw. abhilft.

Keinesfalls schließlich sollte sich der Bergmann die Kürzung seiner durch eigene Beiträge verdienten Knappschafts- bzw. Rentenversicherungsleistungen gefallen lassen, wenn die Verletztenrente der Berufsgenossenschaft z.B. als Entschädigung für einen Berufskrebs geleistet wird, etwa im Falle der BK 4105 (dem schmerzhaftesten Berufskrebs, den wir kennen, dem Mesotheliom) nach Tragen von asbesthaltigen Staubmasken Untertage.

Berufsgenossenschaftsleistungen sind echte Entschädigungsleistungen öffentlichrechtlicher Art, inkl. Schmerzensgeld etwa, während die Rentenversicherungsleistungen wie erwähnt aufgrund auch der Beiträge des Versicherten erbracht werden.

Es fehlt also insofern an der nötigen Kongruenz der Leistungen, was einer Anrechnung der BG-Leistungen auf die Rentenversicherungsleistungen entgegensteht, welche unter deutlicher Verletzung der Eigentumsgarantie nicht selten auf weniger als 1/10 des gesetzlichen Betrages heruntergekürzt werden.

Der Bergmann oder dessen Witwe erhält dann von der Knappschaft vielleicht gerade noch eine Rente von 50,00 EUR, wenn aufgrund der BG-Rente die Rentenzahlung der Deutschen Rentenversicherung gekürzt wird.

Nicht hinnehmbar ist, wenn die Berufsgenossenschaft bei einer Silikose von 50 % MdE oder mehr, § 63 SGB VII, oder auch bei einer MdE darunter die Hinterbliebenenleistungen ablehnt.

Rolf Battenstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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Staubmessungen bezüglich der Berufskrankheit der Bergleute

Staubmessungen bezüglich der Berufskrankheit der Bergleute Nr. 4111, Emphysembronchitis bzw. Bergarbeiter-Bronchitis

Nachdem die Berufsgenossenschaft in einem Fall Az. 04/004067 zunächst 65,6 Feinstaubjahre, Berechnungsmodell Prof. Dr. Ing. Bauer, ermittelte, sollen es nach der Arbeitgeberauskunft der Deutschen Steinkohle AG nur noch 19,47 Feinstaubjahre gewesen sein, bezogen auf die konkreten Verhältnisse.

Dieser Arbeitgeberauskunft folgt die Bergbau-Berufsgenossenschaft bzw. Berufsgenossenschaft RCI lieber als dem Berechnungsmodell von Prof. Dr. Ing. Bauer.

Was aber tatsächlich unter Tage stattfand, beschrieb der erkrankte Bergmann so:

„Er habe die letzten 10 Jahre seines Berufslebens als Staubmesser unter Tage gearbeitet.

Diese Staubmessungen seien immer nach vorheriger Anmeldung erfolgt.

Die Kumpel unter Tage hätten sich beschwert, dass bei Eintreffen der Staubmesser immer sehr viel Wasser zum Einsatz gekommen ist, damit die Staubentwicklung sich geringer darstellte, als sie tatsächlich war.

Die extreme Zugabe von Wasser führte dazu, dass die Kohle nicht richtig gefördert werden konnte, worüber sich die Kumpel beschwerten.

Die Kumpel sagten dann, wenn ihr Staubmesser wieder weg seid, wird das Wasser wieder entzogen und dann können wir unter Tage wieder nichts sehen.

Die Messungen hätten so oft wiederholt werden müssen, bis sie „stimmten“.

Wenn man bedenkt, was Feinstaub für die Lunge bedeutet, und wenn man bedenkt, dass die Berufsgenossenschaften regelmäßig 100 Feinstaubjahre fordern, sollte diesen Hinweisen eines Staubmessers nachgegangen werden.

Es kann nicht sein, dass hier geschönte Werte praktiziert werden, zu Lasten des betroffenen Bergmannes.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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