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Unterstellt, der Supergau eines Reaktorunfalls wäre in Deutschland passiert;
Jun 24th, 2011 von Rolf Battenstein

Hier: Ansprüche der Betroffenen etwa aufgrund einer Berufskrankheit Nr. 2402, Erkrankung durch ionisierende Strahlen

Würde sich das Inferno an einem Tag abspielen, wäre zugleich der Tatbestand eines Arbeitsunfalles erfüllt.

Erfüllt der Sachverhalt sowohl die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles als auch diejenigen einer Berufskrankheit hier der BK-Nr. 2402, wird der Fall unter dem Aspekt der Berufskrankheit entschädigt, weil es dort weitergehende Leistungen geben kann, etwa die Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 BKVO für 5 Jahre ab Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten.

Grundsätzlich gesehen ist selbst in dem Fall einer Katastrophe die gesetzliche Ausgangslage für die betroffenen Arbeitnehmer nicht schlecht.

Bei Arbeitsunfähigkeit etwa durch eine Verstrahlung wird von der Berufsgenossenschaft Verletztengeld gezahlt, längstens bis zur Vollendung der 78. Woche.

Verbleibt ein Dauerschaden, kommt eine Verletztenrente im Anschluß daran in Betracht.

Führt die Strahlung zur Entstehung einer beruflichen Krebserkrankung, schuldet die Berufsgenossenschaft die Verletztenvollrente.

Die Leistungen der Berufsgenossenschaft erfolgen in Ablösung der Arbeitgeberhaftpflicht.

Das Verletztengeld bei Arbeitsunfähigkeit wird wie das Krankengeld etwa der Krankenversicherung berechnet.

Die Verletztenvollrente macht 2/3 des Brutto-Jahresarbeitsverdienstes aus.

Die Verletztenrente ist steuerfrei.

Aber auch im Todesfall sind die Angehörigen geschützt.

Verbleiben durch den Todesfall eine Witwe und zwei Waisen, erhält die Witwe 40 % des Brutto-Jahresarbeitsverdienstes als Witwenrente, während die minderjährigen Waisen jeweils eine Waisenrente von 20 % des Brutto-Jahresarbeitsverdienstes bekommen.

Die Berufsgenossenschaft hat im Falle eines Reaktorunfalls weitreichende Befugnisse.

Von der Berufsgenossenschaft kann verfügt werden, die Anlage stillzulegen.

So stellt sich die Frage, was, wenn die Anlage weiter brennt, die Brennstäbe nicht abkühlen und die Kernschmelze ansteht.

Wenn wie in Japan 50 Arbeitnehmer verbleiben, um das Schlimmste zu verhüten, stellt sich die Frage der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit.

Kann die Berufsgenossenschaft den weiteren Dienst dieser 50 Mitarbeiter etwa bei einem Reaktorunfall in Deutschland weiterhin im Gefahrenbereich zulassen, mit dem tödlichen Risiko für die Beschäftigten dort.

Muß die Berufsgenossenschaft diese Beschäftigten auffordern, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen.

Fragen wie diese haben sich in der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitsversicherung Deutschlands bislang offenbar nicht gestellt.

Im Ernstfall steht jedenfalls ein Instrumentarium an gesetzlichen Vorschriften zur Verfügung, die alle Handhabe geben, den Betroffenen zu helfen, jedenfalls materiell.

Ob die im Umfeld der Atomanlage verstrahlten Personen Versicherungsschutz wie ein Versicherter, § 2 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit der Nr. 2402 der Berufskrankheitenliste erhalten können, ist eine offene Frage, die es dann aber im Ernstfall zu diskutieren gilt.*

Man kann nur voller Hochachtung den Hut ziehen, wenn man sieht, mit welchem Einsatz in Japan die Folgen des schweren Reaktorunfalls angegangen werden und mit welcher Fassung der Betroffenen.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

*Eine andere Frage ist diejenige, ob nicht ohnehin die Ehefrauen unter Versicherungsschutz stehen, die sich um hier im Beispielfall verstrahlte Arbeitskleidung des Mannes kümmern und die Arbeitskleidung reinigen, welche der Ehemann vom Einsatz mit nach Hause bringt.

Erreichung der Anerkennung als Arbeitsunfall
Mrz 5th, 2011 von Rolf Battenstein

Trunk aus einer Red-Bull-Flasche, welche der Arbeitskollegen mit einem Desinfektionsmittel gefüllt hatte;
hier:  Erreichung der Anerkennung als Arbeitsunfall im Rechtsstreit

Am Neujahrstag des Jahres 2005 beschäftigten sich zwei Mitarbeiter damit, eine Gaststätte wieder in Ordnung zu bringen.

Der eine Arbeiter hatte eine Red-Bull-Flasche bei sich, in welcher ein Desinfektionsmittel abgefüllt war, was zur Reinigung benötigt wurde.

Der verunglückte Arbeitnehmer ahnte nicht, als er aus der Red-Bull-Flasche trank, deren Inhalt ihn interessierte und weil er durstig war, daß die Red-Bull-Flasche kein Erfrischungsgetränk enthielt, sondern ein Desinfektionsmittel.

Die Folge war die Verätzung von Magen und Speiseröhre mit der Indikation der vollständigen Entfernung des Magens etc.

Nachdem die Berufsgenossenschaft zunächst abgelehnt hatte, wurde Widerspruch und Klage sowie Berufung erforderlich.

Dann konnte die Anerkennung erreicht werden, weil ohne den Arbeitseinsatz vom 01.01.2005 der Schaden sich nicht ereignet hätte.

Zunächst setzte die Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente von 40 % an, die dann im Widerspruchsverfahren auf 70 bzw. 50 % angehoben werden mußte.

Fazit: Verbotswidriges Verhalten schließt den Versicherungsschutz nicht aus.

Dies ist ausdrücklich im Gesetz so festgehalten, siehe Sozialgesetzbuch VII.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

Einlassung der Berufsgenossenschaft
Mrz 3rd, 2010 von Rolf Battenstein

Einlassung der Berufsgenossenschaft, man würde ja gerne helfen, aber das Bundessozialgericht würde dies nicht zulassen.

Diesen Einwand bekommen immer wieder die Sozialpartner, also die Vertreter der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer in den Rentenausschüssen und der Widerspruchsstelle zu hören, ohne daß diese darin irgendeinen Widerspruch erkennen würden.

Tatsächlich aber verhält es sich so, daß es zu einer BSG-Entscheidung des Bundessozialgerichts nur dann kommt, wenn zuvor eine berufsgenossenschaftliche Ablehnung getätigt wurde und durch die Verfahren getrieben.

Mithin kommen die Einwände gegenüber den Versicherungsfällen nicht originär vom Bundessozialgericht, sondern zunächst von der Berufsgenossenschaft aus, welche etwa verschiedene Modelle in der Unfall- und Berufskrankheitenversicherung entwickelte.

Das Instrument der finalen Handlungstendenz, welches die Berufsgenossenschaften entwickelten, seinerzeit Dr. Watermann, wird heute vielfach benutzt, um Ansprüche von Versicherten mit dem Einwand abzulehnen, der Fall würde von der finalen Handlungstendenz des Versicherten zum Zeitpunkt des Erleidens des Arbeitsunfalls nicht gedeckt.

Forscht man also danach, wessen sich der Versicherte zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls oder Berufskrankheit bewußt war, ergibt sich meist das Ergebnis einer Fehlanzeige.

Statt dann aber den Versicherungsschutz zu verneinen sollte die Kausalitätslehre beachtet werden, die zu einer Kausalitätsnorm erstarkt ist, gewohnheitsrechtlich, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingungen vollkommen ausreichend ist, was den Versicherungsschutz anbetrifft.

Auf BSG in NJW 1964, 2222 sei Bezug genommen, wo die Rede ist von eben dieser Kausalitätsnorm und der Hinweis gegeben wird, daß selbst eine verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung beruflicher Art sehr wohl wesentlich sein kann.

Prüfen Sie bitte einmal die finale Handlungstendenz eines Sparkassenangestellten, der die Sparkassenschlüssel am Hosenbund trägt, in dessen Besitz sich die Delinquenten versetzen wollen, um die Bank auszurauben.

Geschieht der Überfall auf den Sparkassenangestellten am Samstag in der Nacht, als dieser die Notdurft verrichtet, würde von der finalen Handlungstendenz des Versicherten hergesehen der Versicherungsschutz entfallen.

Richtig ist demgegenüber die kausale Betrachtungsweise, der zurfolge hier ein wesentlicher Zusammenhang im Sinne der Mitursächlichkeit offenkundig ist.

Gerade im Grenzfall führt die Anwendung einer sogenannten finalen Handlungstendenz bzw. die Anforderung einer solchen zum falschen Ergebnis, während man im einfachen Fall dieser komplizierten Begriffsbestimmung nicht bedarf.

Mit der Begründung einer angeblich entgegenstehenden finalen Handlungstendenz wies das Bundessozialgericht den Fall zurück, erkannte also auf Ablehnung des Versicherungsschutzes, in welchem die Hausfrau die gewerblich asbestkontaminierte Arbeitskleidung ihres Mannes gereinigt hatte und in Folge dessen an einem tödlichen Asbestmesotheliom, Pleuramesotheliom, erkrankte, Berufskrankheit Nr. 4105.

Dies ist die schlimmste Auswirkung, welche bisher aus Anlaß der Einführung des Begriffs der finalen Handlungstendenz in die Rechtsprechung resultiert, vom fatalen Fall hergesehen und falschen Ergebnis hergesehen.

Keineswegs würde die Berufsgenossenschaft hier gerne entschädigen, im Gegenteil.

Nicht das Bundessozialgericht tätigte die erste Ablehnung des Versicherungsschutzes sondern es war die zuständige Berufsgenossenschaft, die die Ansprüche der Hausfrau ablehnte, obwohl kein privates Moment bei der Reinigung der Arbeitskleidung des Ehemannes erkennbar ist, welche asbestkontaminiert war.

Es handelte sich eben nicht um den Hochzeitsanzug, welchen die geschädigte Ehefrau ausbürstete.

Mit den Stichtagseinwänden gegenüber den Berufskrankheiten Lungenkrebs bei Vorliegen von sogenannten 25 Asbestfaserjahren, 1.4.1988, gegenüber den Berufskrankheiten Nr. 2108, Wirbelsäulenerkrankung, Stichtag 1.4.1988 und mit den Stichtagen beim Bergarbeiteremphysem, Berufskrankheit Nr. 4111, Stichtag 1.1.1993, dürfte es sich ähnlich verhalten, daß die Berufsgenossenschaften nämlich auf den Einfall kamen, die Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall aus der Vorzeit nicht mehr zu prüfen und zu entschädigen.

Daß sich dann das Bundessozialgericht darauf verstanden hat in der Rechtsprechung, ist ein schlimmes Kapitel und bei weitem bis heute nicht behoben.

In den meisten Fällen wirkt der Stichtagseinwand fort, so daß also die betroffenen Asbestisolierer, Transportarbeiter, Bergleute bis heute leer ausgehen, und zwar wegen des Stichtagseinwandes und der unterlassenen Prüfung von § 551 II RVO Berufskrankheiten nach neuer Erkenntnis im Einzelfall.

Das Bundessozialgericht hat sich auch darauf eingelassen, daß die Übergangsleistungen für fünf Jahre ab Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten eines Berufskrankheiten jedes Jahr um 1/5tel gekürzt werden, beginnend mit dem zweiten Laufjahr der Übergangsleistungen.

Dabei handelt es sich um eine freie Erfindung der Berufsgenossenschaften, die freiwillig keineswegs leisten, wenn es um Übergangsleistungen bei den Berufskrankheiten geht, deren Tatsache nicht selten verschwiegen wird gegenüber den Betroffenen.

Sowie es dann aber in der Gerichtspraxis passiert, hat es den Anschein, es müßte sich der Versicherte nicht nur der Berufskrankheit erwehren sondern auch der Sozialgerichtsbarkeit, welche die berufsgenossenschaftlichen Einwände viel zu oft mittragen, nicht ohne den Verletzten Verschulden vorzuwerfen, wenn diese den berufsgenossenschaftlichen Kontruktennicht zu folgen bereit sind.

Bei den Übergangsleistungen etwa gemäß § 3 Abs. 2 BKV für die Berufserkrankten oder diejenigen, denen eine Berufserkrankung droht, gilt § 2 Abs. 2 SGB I also, d.h. es muß sichergestellt werden bei Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches und bei Ausübung von Ermessen, daß die sozialen Rechte des Anspruchstellers möglichst weitgehend verwirklicht werden.

Das Gegenteil ist der Fall, wenn schematisch und ohne Ausnahme gekürzt wird bei den Übergangsleistungen nach der 5tel Methode, so daß im fünften Laufjahr der Schaden nur noch zu 1/5tel entschädigt wird, obwohl er um 4/5tel höher ist.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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