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Einem 1951 geborenen Bau- und Tiefbauarbeiter wird im Falle zweier Bandscheibenvorfälle der Lendenwirbelsäule bezüglich der Berufskrankheit nr. 2108 vom Gutachter und Sozialgericht Düsseldorf zum Aktenzeichen S 16 U 279/06 attestiert, diese Bandscheibenvorfälle stünden deshalb nicht mit seinem Beruf im Zusammenhang, weil er auch Schäden an der Halswirbelsäule habe, so daß es an einer Akzentuierung des Lendenwirbelsäulenschadens fehle.

Erschwerend kommt bei dem Versicherten hinzu, daß er beim Anheben einer 100 kg schweren Rüttelplatte am 26.10.2001 einen Bandscheibenvorfall erlitt.

Hierzu äußern der Gutachter und das Sozialgericht Düsseldorf, daß ein isolierter Bandscheibenvorfall keine traumatische Ursache hat.

Dabei handelt es sich um eine Beweisregel, die einen gesunden Versicherten voraussetzt und offenbar unterstellt, daß ein vorgeschädigter Versicherter nicht unter Versicherungsschutz steht.

Gerade aber bei einer degenerativen Schadenanlage aufgrund jahrzehntelanger Rückenbelastung im Beruf droht erst recht der Arbeitsunfall, der um so leichter auftreten kann, je vorgeschädigter der Betroffene ist.

Diese Erkenntnis paßt wiederum nicht in die berufsgenossenschaftliche Entschädigungspraxis, jedenfalls nicht nach der Vorstellung der Berufsgenossenschaften.

Es sei auf BSG in NJW 1964, 2222 hingewiesen, wo die Rede ist von einer Kausalitätsnorm, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit beruflicher Art ausreichend ist und der Hinweis gegeben wird, daß selbst eine verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung beruflicher Art sehr wohl wesentlich sein kann.

Hier imponiert eine jahrzehntelange Belastung der Lendenwirbelsäule durch Tiefbauarbeit bei dann noch offenkundigem Arbeitsunfallereignis, in welchem diese Berufskrankheit kulminiert.

Die ganzen berufsgenossenschaftlichen Einwände beruhen auf den sogenannten Konsensusempfehlungen, herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft, einem antizipierten Parteigutachten der Berufsgenossenschaften, welches den Blick für den Einzelfall verstellt und von dem Lebenssachverhalt abhebt.

Es kann nicht oft genug in Erinnerung gerufen werden, daß der Versicherte bei seiner Arbeit in dem körperlichen Zustand versichert ist, in welchem er sich befindet.

Wie ausgeführt, entsteht der Arbeitsunfall um so leichter, je vorgeschädigter der Betroffene ist.

Dies konnte man sogar im Fall des Berufsfußballspielers Lothar Mathäus erkennen, als dieser beim Überspringen einer Grätsche des Gegners einen Achillessehnenriß erlitt.

Selbstverständlich war die Achillessehne durch jahrzehntelange Belastung vorgeschädigt.

Aber um so eher mußte dann der Arbeitsunfall passieren können, nämlich das Reißen der Achillessehne bei sportlicher Belastung.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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