Kürzung der Rentenversicherungsleistung in Form der Witwenrente

Kürzung der Rentenversicherungsleistung in Form der Witwenrente bei Zusammentreffen mit Leistungen der Berufsgenossenschaft wegen eines Pleuramesothelioms, BK Nr. 4105, obwohl der Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls bzw. der Erkrankung bereits über 65 Lebensjahre alt war, vgl. dazu Urteil des BSG vom 29.11.1967

‑ 4 RJ 161/67

Das Begehren der Klägerin wurde zwar im Beschluß des Bundessozialgerichts – B 5 R 78/10 B – Seite 3 oben, durchaus deutlich, ohne daß allerdings das Bundessozialgericht eine grundsätzliche Bedeutung erkennen mochte in den Fragen der Kürzung der Witwenrente aus der Rentenversicherung um die Leistungen der Berufsgenossenschaft, welche für ein Pleuramesotheliom, Berufskrankheit Nr. 4105, fällig geworden sind.

Im Streit stand, daß die Deutsche Rentenversicherung die Lebzeitenleistungen, d.h. die Altersrente und die Hinterbliebenenleistungen um die Leistungen der Berufsgenossenschaft kürzte und Rückforderungen erhob.

Nicht zu übersehen war die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage wegen unzulässiger Rechtsausübung der Rentenversicherung hinsichtlich von der Rentenversicherung erwirkten Gesetzesänderungen.

Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne der unzulässigen Rechtsausübung folgt diesseitiger Auffassung nach auch daraus, daß sich die Deutsche Rentenversicherung zuvor eine gesetzeswidrige Kürzungspraxis hatte angelegen sein lassen, ohne daß etwa das Gesetz in § 93 Abs. 5 SGB VI geändert gewesen wäre.

Eine grundsätzliche Bedeutung rührt auch daher, daß hier eine Günstigkeitsvorschrift zur Jahresarbeitsverdienstberechnung im Berufskrankheitenfalle in deren Gegenteil verwandelt wurde, und zwar rechts- und gesetzeswidrig von Anfang an.

Es erscheint überdies als unzulässig, und zwar in grundsätzlicher Bedeutung, eine in sich widersprüchliche Gesetzesvorschrift, wie § 93 Abs. 5 SGB VI in Ansehung der Einführung des letzten Tages der gefährdenden Tätigkeit anzuwenden.

Diese Probleme mochte sich das Bundessozialgericht gewissermaßen nicht anziehen.

Unzulässig war, daß sich die Rentenversicherung angeblich deklaratorisch das Gesetz hatte ändern lassen, um gewissermaßen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auszuweichen, bzw. diese zu unterlaufen.

Rechtssystematisch ist es deutlich verfehlt, die Leistungen der Rentenversicherung zu kürzen, die aufgrund der Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber erbracht werden.

Statt dessen könnte es sich dabei letztlich nur um eine Frage der Schadensberechnung der Berufsgenossenschaft handeln, wofür allerdings das Sozialgesetzbuch VII keine Handhabe bietet.

Insofern ist diesseitiger Auffassung nach der Anrechnungspraxis der Rentenversicherung entschieden zu widersprechen.

Allerdings macht sich die Rentenversicherung zunutze, daß die Probleme derart kompliziert werden, daß am Ende kein Sachbearbeiter mehr der Rentenversicherung und der Berufsgenossenschaft die Übersicht über die Entschädigungspraxis behält.

Das Übersehen der Grundsatzprobleme, welche das Bundessozialgericht beim besten Willen ebensowenig wie die Divergenz übersehen konnte, gibt zu Bedenken Anlaß im vorliegenden Fall.

Der Ehemann der Klägerin und Beschwerdeführerin B. B., geb. 16.01.1938, verst. 04.07.2007, befand sich bereits in einem Lebensalter von über 65 Jahren und im Ruhestand, als er an einer Berufskrankheit im Sinne des Pleuramesothelioms, Berufskrankheit Nr. 4105, mit Versicherungsfall vom 01.09.2003 erkrankte.

Insofern konnte der Rentenversicherung gar kein Schaden entstehen, welcher diese zur Kürzung sachlich berechtigen könnte.

Daß auch nach früherer Entschädigungspraxis die Witwenrente gewährt wurde anrechnungsfrei aus der Rentenversicherung, wenn der Versicherte über 65 Lebensjahre alt war, möchte das Bundessozialgericht offenbar nicht gelten lassen, weil es nunmehr heißt „Sozialgesetzbuch“ und nicht mehr Reichsversicherungsordnung, ohne aber daß die Vorschriften dieserhalb sich sachlich geändert hätten.

Insofern beansprucht das Urteil vom 29.11.1967 – BSG 4 RJ 161/67 – noch immer Gültigkeit.

„Die Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung ruht trotz Zusammentreffens mit einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung jedenfalls dann nicht, wenn die Leistung aus der Unfallversicherung wegen eines Unfalls gewährt wird, der sich ereignete, nachdem der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet hatte.“

Arbeitsunfall und Berufskrankheit wurden seinerzeit gleichbehandelt.

Im Ergebnis kann es also so sein, daß die Witwe trotz der berufsgenossenschaftlichen Ansprüche, die überdies Schmerzensgeldanteile enthalten, deshalb in Not gerät, weil ihre Witwenrente aus der Rentenversicherung gewissermaßen zusammengestrichen wird.

Dies kann im Ernstfall darauf hinauslaufen, daß nur noch 1/20 der Witwenrente aus der Rentenversicherung gewährt wird oder nur noch 1/10 dessen.

Deutlichere Eigentumsverletzungen im Sinne der Verfassung sind kaum denkbar.

Gleichwohl gehen die Rechtsuchenden derzeit leer aus, welche sich gegen die Kürzungspraxis verwahren.

Anzuregen wäre, daß einmal im Rahmen einer Doktorarbeit die Probleme abgehandelt werden, die sich aus den gesetzlichen Vorschriften und deren sachwidrige Änderungen ergeben haben, bis hin zu der rechtssystematisch verfehlten Kürzungspraxis hinsichtlich der Rentenversicherungsleistungen.

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Kürzung der Übergangsleistungen

Kürzung der Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheitenverordnung für die Zukunft des Fünfjahreszeitraums durch sog. Grundbescheid

Eine Berufsgenossenschaft des Metallbereichs vermeint zu dem Aktenzeichen 01 S 11 2004 046256, die Kürzung nach Fünfteln bereits durch den Grundbescheid sicherstellen zu können, so daß der Versicherte und Berufserkrankte dann nicht mehr gegen die jeweiligen Bescheide des betreffenden Jahres vorgehen könne, was die Kürzung nach Fünfteln anbelangt.

Dem gegenüber hat ein Sozialgericht seinerzeit eine künftige Kürzung nach Fünfteln für ermessensfehlerhaft erklärt, eben weil der Sachverhalt noch gar nicht vollendet sei und zu beurteilen.

Im Einzelfall kostet dies den Versicherten und Berufserkrankten viel Geld.

Statt des errechneten Mindereinkommens von 9.183,96 EUR wird die Übergangsleistung für den Zeitraum vom 22.10.2007 bis 21.10.2008 auf 3.673,58 EUR heruntergekürzt = 2/5 des Mindereinkommens, 4. Laufjahr.

Im 5. Laufjahr wird noch drastischer gekürzt, nämlich auf 1/5 Schadenersatz.

Mit § 2 Abs. 2 SGB I ist dies nicht in Übereinstimmung zu bringen, eben weil bei Ermessensleistungen die möglichst weitgehende Verwirklichung der Rechte des sozialen Anspruchstellers zu gewährleisten bzw. zu verwirklichen ist.

Dem Betroffenen bleibt nur der Widerspruch bzw. dann die Klage, wenn der Widerspruchsbescheid negativ ausfällt.

Höchstrichterlich ist dies offenbar bis heute nicht entschieden, was die Anwendung des § 2 Abs. 2 SGB I wie bezeichnet anbetrifft.

Es fällt auf, daß das Bundessozialgericht hier einer klaren Entscheidung ausweicht.

Letztlich geht die Kürzung nach Fünfteln auf ein von den Berufsgenossenschaften erdachtes Modell zurück, welchem die Sozialgerichtsbarkeit seinerzeit nicht entschieden entgegenwirkte.

Die Berufsgenossenschaften selbst halten dies für ihren sozialen Besitzstand offenbar, während der soziale Besitzstand des rechtlichen Anspruchstellers zu wahren ist, was hier nicht geschieht.

Einer angeblichen Bestandskraft des Grundbescheides für die Zukunft sollte der Betroffene keinen Glauben schenken.

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