Beweisprobleme in den Berufskrebsfällen durch Asbest

Beweisprobleme in den Berufskrebsfällen durch Asbest, s. Berufskrankheiten Nr. 4103, 4104, 4105

Insbesondere in den Berufskrebsfällen durch Asbest wenden die Berufsgenossenschaften immer wieder Beweisprobleme ein, welche der Versicherung entgegenstünden.

So wird im Todesfall durch Asbest des Asbestwerkers der Vollbeweis angewandt bzw. der Strengbeweis, als ob dies zulässig wäre.

Die Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitenversicherung, dass wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Ursache ausreichend ist, wird dagegen nicht beachtet in der Entschädigungspraxis der Berufsgenossenschaft und in der Sozialgerichtsbarkeit.

Nach § 202 SGG, § 287 I ZPO analog, ist die Frage, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden beläuft, der freien richterlichen Überzeugungsbildung unterworfen.

Diese gesetzliche Erleichterung wird den hinterbliebenen Versicherten nicht zu Teil.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob eine freie richterliche Überzeugungsbildung praktiziert wird oder ein sogenannter Strengbeweis dagegen.

An dieser Frage scheitern ungezählte Versicherte und deren Hinterbliebene.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

WeiterlesenBeweisprobleme in den Berufskrebsfällen durch Asbest

Kein Gefährdungskataster

„Kein Gefährdungskataster bezüglich der deutschen Bergleute in der Sozialgerichtsbarkeit und bei der Bergbau-Berufsgenossenschaft bzw. heute bei der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie

Anders als etwa im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, wo dem Vernehmen nach beim Berufungsgericht LSG NRW z.B. Gutachten erwerbskundlicher Art gesammelt werden, diese sollen ganze Räume füllen, existiert hinsichtlich der Daten der gesetzlichen Berufskrankheitenversicherung, hier insbesondere zu den Gefährdungen der Bergleute in Deutschland augenscheinlich kein wie auch immer gearteter Gefährdungskataster, also hinsichtlich der beruflichen Lärmschwerhörigkeit, BK-Nr. 2301, hinsichtlich der Wirbelsäulenerkrankungen, BK-Nrn. 2108 bis 2110, hinsichtlich der Silikosen, BK-Nrn. 4101, 4102, hinsichtlich der Asbesterkrankungen BK-Nrn. 4103 bis 4105, hinsichtlich der BK 4111 (Bergarbeiteremphysem), hinsichtlich der obstruktiven Atemwegserkrankungen, BK-Nrn. 4301/4302, welch letztere Unterlassung noch am schwersten wiegt, weil die Vorschriften der BK-Nrn. 4301/4302 jahrzehntelang im Bergbau vernachlässigt worden sind.

Noch junge Berufsrichter reagieren im Berufungsverfahren gegen die Berufsgenossenschaft im Fall der obstruktiven Atemwegserkrankung nachgrade verständnislos, wenn man die arbeitstechnischen Voraussetzungen der obstruktiven Atemwegserkrankungen unterstellt bzw. in die Gerichtskunde und in die Berufsgenossenschaftskunde stellt.

Statt einer Kenntnis der systematischen Voraussetzungen in diesen Fällen verlangen die noch jungen Berufungsrichter etwa beim Landessozialgericht NRW beispielsweise den Einzelnachweis der Arbeitsbedingungen des verstorbenen Versicherten, den die Witwe nun gerade nicht erbringen kann, weil diese unter Tage nicht dabei war.

Die Bergbau-Berufsgenossenschaft bzw. heute Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie leugnet, über Gefährdungskataster zu verfügen, was insbesondere die Berufskrankheiten Nrn. 4301/4302 anbetrifft und deren TAD, heute Prävention, verfügt angeblich über keine arbeitstechnische Betriebsakte des jeweiligen Bergbau-Unternehmens, was als nicht glaubhaft erscheint, weil die Betriebsbegehungen und technischen Anordnungen etc. gesammelt werden mußten.

Es sei einmal aus einem Fall des obstruktiven Bronchial Asthmas zitiert, was der Sachverständige Prof. Dr. H.-J.W. festhielt

  1. Einwirkung von Kohlengrubenstaub im Zeitraum von 1950 bis 1989,
  2. Einwirkung von Diphenylmethan-4/4-diisocyanat zur Gebirgsverfestigung über das Hautorgan im Zeitraum von 1974 bis 1984,
  3. Einwirkung von Isoschaum zur Gebirgsverfestigung Aerosol im Zeitraum von 1974 bis 1984,
  4. Einwirkung von Kalziumchlorid-Sprühnebel Areosol im Zeitraum von 1974 bis 1989,
  5. Einwirkung von zementhaltigen Baustoffstäuben im Zeitraum von 1952 bis 1984,
  6. Einwirkung von Expositionsspitzen mit nitrosen Gasen aus Sprengschwaden im Zeitraum von 1974 bis 1984,
  7. Einwirkung von polychlorierten Biphenylen PCB als Aerosol im Zeitraum von 1984 bis 1989,
  8. Einwirkung von Öl-Aerosolen beim Betrieb des Abbauhammers im Zeitraum von 1952 bis 1984.

Es handelt sich also um Belastungen, die über die Quarzstaubgefährdung hinausgingen und in Rede standen, als es um die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 4302 ging, welche der Sachverständige Prof. Dr. W. mit einer MdE von insgesamt 50 % bewertete.

Im weiteren war die Bergbau-Berufsgenossenschaft froh, daß der Fall als Berufskrankheit Nr. 4111 entschädigt wurde bzw. als Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis in diesem Sinne.

Denn sonst wäre es offenbar geworden, daß in den vergangenen Jahrzehnten die Fälle nur mit der „Silikosebrille“ betrachtet wurden, ohne die chemisch/toxischen und chemisch irritativen Atemwegsbelastungen zu berücksichtigen, die bei den Bergleuten Gang und Gäbe waren in den 50iger Jahren, in den 60iger Jahren, in den 70iger Jahren etc..

Es waren Klebekolonnen mit Isocyanatklebern im Einsatz, die Strecken wurden mit einer übel riechenden Brühe ausgesprüht, es fanden Sprengungen statt etc..

Statt, daß diese Dinge generell in einem Gefährdungskataster enthalten sind, so daß die Witwe nicht den Einzelnachweis führen muß, wird sogar abgelehnt, ein von der Witwe beantragtes unabhängiges arbeitstechnisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Mithin sind die Bergleute bis heute die Geschädigten und deren Witwen und Waisen.

Inzwischen weiß man überdies seit der Bochumer-Empfehlung aus März 2010, daß die Staublungen ebenfalls mit obstruktiven Atemwegserkrankungen verbunden sind und gerade dies die MdE ausmachen kann.

Eine Abhilfe hinsichtlich der jahrzehntelang nicht berücksichtigen obstruktiven Atemwegserkrankung Berufskrankheit Nr. 4301/4302 scheint nicht in Sicht zu sein.

Aus dem Tierversuch weiß man inzwischen, daß die Silikose, die der Bergmann erwarb, längst verschwunden ist, bzw. verschwunden sein muß, während die obstruktive Atemwegserkrankung dem Bergmann geblieben ist.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

WeiterlesenKein Gefährdungskataster

Obduktion bei Berufskrankheiten

„Strengbeweis“ in Form der Obduktion bei Berufskrankheiten;
hier: Was aber, wenn der Berufserkrankte noch lebt?

Die Berufsgenossenschaften und dem folgend die Sozialgerichtsbarkeit fordern im Berufskrankheitsfall etwa, daß die Erkrankung mit Gewißheit, d.h. im sog. „Strengbeweis“ erwiesen sein muß.

Was bedeutet dies für den noch lebenden asbestkrebskranken Versicherten?

In einem Fall eines Asbestzementherstellers bedeutete dies, daß zu Lebzeiten keine Entscheidung getroffen worden ist hinsichtlich der Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 4104, Asbestlungenkrebs in Verbindung mit einer Asbestose von Lunge oder Pleura.

Statt dessen wurde die Gemeindeverwaltung angeschrieben und gebeten, mitzuteilen, wenn der Betroffene verstorben ist.

Dann wollte man eine Obduktion durchführen.

Je nach Beweisgrad ergibt sich die Möglichkeit, zu Lebzeiten Feststellungen zu treffen oder aber auch nicht.

Geht man nach § 202 Sozialgerichtsgesetz, § 287 I ZPO, reicht für die Feststellung, ob ein Schaden, d.h. hier eine Berufskrankheit entstanden ist, die freie richterliche Überzeugungsbildung.

Wörtlich heißt es in § 287 ZPO analog:

„Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.“

Gemessen an der IAO-Liste lag nach 20jähriger Asbestbelastung des Erkrankten ein Asbestlungenkrebs nahe, gleich ob dieser mit einer Asbestose vergesellschaftet war oder nicht oder etwa mit den später hinzugekommenen 25 Asbestfaserjahren.

Man hätte also zu Lebzeiten den Fall entschädigen können und müssen, erst recht deshalb, weil es sich um einen Familienvater handelte, verheiratet, 7 Kinder.

Als nun die abgewartete Obduktion durchgeführt wurde, übersah der Pathologe die Brückenbefunde einer Minimalasbestose der Lunge oder Pleura.

Nachdem eine Arbeitgeberhaftung hilfsweise angegangen wurde anwaltlich, löste sich allerdings der Fall von da auf, und zwar in der Art und Weise, daß die Berufsgenossenschaft nun doch anerkannte.

Dem Pathologen, welcher die Brückenbefunde nicht gesehen hatte, wurde eine Fehleinschätzung nachgesagt.

Die Frage stellt sich nach wie vor, und zwar in den einschlägigen Berufskrebsfällen, ob man nun den Strengbeweis und die Obduktion fordert, obzwar der Versicherte noch lebt, oder aber einen Beweisgrad gem. § 287 Abs. 1 ZPO gelten läßt.

In letzterem Fall kann zu Lebzeiten anerkannt und entschädigt werden, mit dem Restrisiko, daß sich vielleicht der Fall bei Obduktion doch anders darstellt.

U.E. kann die Berufsgenossenschaft und muß die Berufsgenossenschaft mit diesem Restrisiko leben, eben weil § 202 SGG verbindlich ist, indem auf die ZPO analog verwiesen wird.

In die Falle des Pathologen laufen die Versicherten, ob nun Asbestosefälle oder Silikosekranke, weil als letzter Beweis berufsgenossenschaftlich der pathologische Beweis angestrebt wird.

Dieserhalb ist in der künftigen Entschädigungspraxis das Schlimmste zu erwarten.

Dabei ist die pathologische Beweiserhebung in Form der Obduktion sehr oft irreführend, eben weil durch Umbauvorgänge eine Minimalasbestose etwa längst ausgewaschen sein kann oder durch das Fahrerfluchtphänomen der Weißasbest in Fortfall gekommen ist.

Im Falle des Familienvaters mit Kindern bedeutete das Zuwarten der Berufsgenossenschaft, daß dieser verstarb, ohne seine Familie versorgt zu wissen, etwa durch berufsgenossenschaftliche Leistungen, die 80 % des Bruttojahresarbeitsverdienstes ausmachten, als diese nun später festgestellt werden mußten.

Die Verwaltungsberufsgenossenschaft ließ es sich in einem vergleichbaren Fall angelegen sein, den noch lebenden asbestkrebskranken Versicherten mit der Formularfrage zu kontaktieren, ob dieser nun seiner Obduktion künftig zustimmen würde, damit die Berufsgenossenschaft ihre Feststellungen treffen könne.

Aber auch in diesem Fall konnte unsere Kanzlei helfen, ohne daß der Versicherte auch nur obduziert wurde, selbst dann nicht, als er verstarb.

Was der oben zitierte „Strengbeweis“ im Sozialrecht zu suchen hat, erschließt sich nach diesen Erfahrungen erst recht nicht.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

WeiterlesenObduktion bei Berufskrankheiten

Medizinische Begutachtung von Berufskrankheiten

31. Internationaler Kongreß für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2009 in Düsseldorf, Messegelände;

Medizinische Begutachtung von Berufskrankheiten

Bei der Diskussion der entstehenden Probleme wurde folgender Wortbeitrag (sinngemäß) der Anwälte Battenstein & Battenstein erforderlich.

Nehmen Sie den Fall eines Asbestwerkers, der Säcke mit purem Asbest in die Maschine schüttet, ungeschützt.

Hierfür errechnete die Berufsgenossenschaft durch ihren Technischen Aufsichtsbeamten 10 Fasern pro Kubikzentimeter Asbestbelastung, und zwar nach dem BK-Report Faserjahre beim Asbestlungenkrebs und beim Asbestkehlkopfkrebs.

Worauf wir aufmerksam machen möchten, ist der Umstand, daß Sie es gleich mit zwei Parteigutachten zu tun haben.

Zunächst erstellt der eigene Beamte der Versicherung, welche die Berufskrankheit hätte verhindern müssen, das Parteigutachten in Ansehung der Belastung.

Zugleich wird ein generelles = antizipiertes Parteigutachten bemüht, nämlich der BK-Report Asbestfaserjahre.

Durch Querverweise in diesen Werken kam die Berufsgenossenschaft eben auf die genannten 10 Asbestfasern pro Kubikzentimeter, wobei dann im Ergebnis der Wert zugrunde gelegt wird, der für das Handhaben bzw. Hantieren mit leeren Asbestsäcken angesetzt ist im Asbestfaserjahrreport.

Deshalb können Parteigutachten nicht hingenommen werden, sondern es bedarf unabhängiger arbeitstechnischer Expertisen.

Der tatsächliche Faserwert beim Ausschütten von Säcken mit purem Asbest ungeschützt macht ein Vielfaches der von der Berufsgenossenschaft ermittelten Zahl aus.

Aufgrund des Parteigutachtens des Technischen Aufsichtsbeamten und des antizipierten Sachverständigengutachtens Asbestfaserjahrreport verfiel der Fall hier der Ablehnung und befindet sich jetzt im Rechtsstreit.

Zu fordern ist ein unabhängiges arbeitstechnisches Sachverständigengutachten.

Was im berufsgenossenschaftlichen Feststellungsverfahren auch zu erreichen ist, nämlich durch ein zwingendes Angebot eines Gutachterauswahlrechts auch beim arbeitstechnischen Sachverständigengutachten, § 200 Abs. II SGB VII.

Gesetzlich gilt die Vorgabe des Angebotes eines Gutachterauswahlrechtes nicht nur für die medizinischen Gutachten, sondern überhaupt für Gutachten.

Es ist davor zu warnen, daß die berufsgenossenschaftlich aufgestellten Beweisregeln respektive antizipierten Sachverständigengutachten bzw. berufsgenossenschaftlichen Merkblätter im Ergebnis sich wie ein BG-Kartell auswirken.

Jedenfalls entwickelt der Verband der Berufsgenossenschaften diese antizipierten Sachverständigengutachten als privatrechtlicher Verein, und ohne staatliche Aufsicht, d.h. ohne der staatlichen Aufsicht zu unterliegen.

Für die Richtlinien, welche die Gutachter in Berufskrankheitsfällen zu beachten haben und für die dahingehenden Grundsätze fordert die Rechtsanwaltskanzlei Battenstein & Battenstein die Aufnahme des Grundsatzes, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Belastung vollkommen ausreichend ist für die Anerkennung der Berufskrankheit.

Bisher nämlich wird ein monokausaler Ansatz seitens der BG-Gutachter gepflegt, sehr zum Schaden der Betroffenen, die eben nicht nur geraucht haben, sondern auch Asbest inhalierten auf der Arbeit.

Es wäre zu wünschen, daß die Referate und die Diskussion auf dem 31. Internationalen Kongreß für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Thema der medizinischen Begutachtung von Berufskrankheiten veröffentlicht würden.

Hinsichtlich des demnächst erscheinenden Falkensteiner Merkblattes zur Begutachtung von Asbestosen befürchtet die Anwaltskanzlei Battenstein & Battenstein das Schlimmste.

Denn der Nestor der Deutschen Asbestforschung und Arbeitsmedizin, Prof. Hans-Joachim Woitowitz, Justus-Liebig-Universität Gießen, ist nicht mehr an Bord, was die Redation des Falkensteiner Merkblattes anbetrifft.

Rechtsanwalt Battenstein

WeiterlesenMedizinische Begutachtung von Berufskrankheiten