Amtsermittlungspflicht der Berufsgenossenschaft

Amtsermittlungspflicht der Berufsgenossenschaft im Berufskrebsfall, Lungenkrebs und Myelom (Plasmozytom)

Für die offenbar in einer verzweifelten Lage befindlichen Familie wurde am 03.06.2008 bei der Berufsgenossenschaft beantragt, Lebzeiten- und Hinterbliebenenleistungen zu gewähren aus Anlaß der Lungenkrebserkrankung und der Plasmozytomerkrankung des am 30.10.2007 verstorbenen Ehemannes.

Es war das Mitgliedsunternehmen der Berufsgenossenschaft, wo auch Abbrüche getätigt wurden, bezeichnet wurden, wo der Versicherte zuletzt tätig gewesen war, in Freiburg.

Daraufhin übersandte die Berufsgenossenschaft eine Reihe Vordrucke, welche die Ehefrau und auch die Waise nicht ausfüllten.

Die Bitte der Bevollmächtigten, einen Außendienstmitarbeiter zur Familie zu schicken, um die entsprechenden Angaben einzuholen, erfüllte sich nicht.

Statt dessen erteilte die Berufsgenossenschaft unter dem 24.10.2008 gegenüber der Ehefrau einen Bescheid, mit welchem die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen fehlender Mitwirkung versagt wurde.

Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg, angeblich wäre das sog. Versagungsermessen auf Null reduziert, so das Berufungsgericht, weshalb eigene Ermittlungen der Berufsgenossenschaft nicht erforderlich wären.

Eigene Ermittlungen der Berufsgenossenschaft wären in Ermanglung von Ermittlungsansätzen nicht erfolgversprechend.

Während das Gericht bzw. die Sozialgerichtsbarkeit im Laufe des Verfahrens – L 6 U 1347/10, S 17 U 5066/09 SG Freiburg – regelrecht unhöflich wurde, war dies immerhin im Schlußurteil nicht der Fall.

Die Unrichtigkeit des Urteils frappiert gewissermaßen.

Es war bezeichnet worden der Versicherte B. K., dessen Ehefrau und die Tatsache, daß eine Waise minderjähriger Art vorhanden sei.

Außerdem war der letzte Beschäftigungsbetrieb bezeichnet worden, V.B.K. Freiburg.

Gefährdende Tätigkeiten und die Diagnose Lungenkrebs und Myelom waren ebenfalls bezeichnet worden.

Mithin hätte die Berufsgenossenschaft ohne weiteres die Sache in die Hand nehmen können und durch ihren Außendienst umfassend abklären können.

Statt dessen stellte man die Telefonnummer des Außendienstmitarbeiters der Witwe zur Verfügung, worauf diese nicht reagierte.

Zwar bleibt der Witwe und der Waise vorbehalten, ihre Mitwirkung noch nachzuholen.

Allerdings ist dies kein Grund, wirksam die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung zu versagen, weil anderweitige Ermittlungsmöglichkeiten und Ansätze vorhanden waren, die für einen Berufskrebsfall ohne weiteres ausreichen, diesem nachgehen zu müssen.

Allerdings besteht weder berufsgenossenschaftlich noch sozialgerichtlich ein Interesse von Amts wegen, die Ermittlungen zu tätigen, obwohl dies der gesetzliche Auftrag ist.

So bleibt hier wieder einmal mehr eine berufskrebsgeschädigte Familie mit ihrem Schicksal allein.

Berufsgenossenschaft und Berufungsgericht schließlich rügten überdies das Fehlen einer Sterbeurkunde.

Als ob dies einen Versagungsgrund wegen fehlender Mitwirkung darstellen könnte.

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Berufsgenossenschaftliche Einflußnahme auf die Amtsermittlung

Berufsgenossenschaftliche Einflußnahme auf die Amtsermittlung der Sozialgerichtsbarkeit;
hier:    Frage, bestimmt die Berufsgenossenschaft oder bestimmt das Sozialgericht das Ergebnis des Rechtstreites?

Wenn einer Berufsgenossenschaft das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten mißfällt, wird ein Gegengutachten in Auftrag gegeben, berufsgenossenschaftlich, mit welchem mehr oder weniger das gerichtliche Gutachten gewissermaßen auseinandergenommen wird.

Dabei geriert sich der beratende Arzt der Berufsgenossenschaft nicht eben selten als Obergutachter, der mit einem Federstrich das Beweisergebnis gewissermaßen zunichte machen kann.

Das Bundessozialgericht bestreitet nicht, daß auch Gutachten während des Prozesses, welche berufsgenossenschaftlich eingeholt werden, der Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII unterliegen kann, d.h. dem Gutachterauswahlrecht bzw. Angebot eines Gutachterauswahlrechtes, welches zuvor berufsgenossenschaftlich anzubieten ist.

Mit einem Nebensatz aber öffnet dann das Bundessozialgericht alle Schleusen, s. Urteile vom 05.02.2008 – B 2 U 10/07 R – und – B 2 U 8/07 R -, indem die Parteigutachten der beratenden Ärzte oder der berufsgenossenschaftlich angestellten Ärzte vom Angebot eines Gutachterauswahlrechtes gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII ausgenommen werden.

Dies hatte bereits im Frühjahr 2008 zur Folge, daß die Berufsgenossenschaften ihre beratenden Ärzte alle mit Papierverträgen ausstattete, um gerichtlich nachzuweisen, daß es sich um beratende Ärzte handelt, was eigentlich nur um so schlimmer war, wenn es sich um einen beratenden Arzt handelt, der berufsgenossenschaftlich beauftragt wird.

Eine Untersuchung der beratungsärztlichen Gegengutachten, Obergutachten oder beratungsärztlichen Stellungnahmen würde vom Ergebnis her eine fatale Tendenz verweisen, nämlich gegen die Entschädigung der betreffenden Fälle anzuwirken.

Ausnahmen gibt es da kaum.

Demgegenüber vertritt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz die Auffassung, daß auch bei Beauftragung eines beratenden Arztes mit einem Gutachten das Gutachterauswahlrecht gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII zu beachten ist.

Eine Bau-Berufsgenossenschaft ließ es sich sogar angelegen, eine Sachverständigenstelle einzurichten bei ihrer eigenen Berufsgenossenschaft, medizinischer Art und überdies auch arbeitstechnischer Art.

In beiden Sparten rechnet sich dies berufsgenossenschaftlich, weil ein auswärtiger Gutachter nicht entfernt so parteilich urteilen würde, wie ein berufsgenossenschaftlich angestellter Gutachter.

Mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens ist es nicht in Einklang zu bringen, wenn dies so gehalten wird und die Sozialgerichtsbarkeit sogar die arbeitstechnischen Expositionsgutachten der berufsgenossenschaftlichen Beamten ausnahmslos zugrundelegt.

Mit den Urteilen vom 05.02.2008, wie zitiert, hat das Bundessozialgericht offenbar berufsgenossenschaftlicher Einflußnahme auf die Gerichtsverfahren Tor und Tür geöffnet, was die Einschaltung eigener Gutachter anbetrifft, seien dies Angestellte der Berufsgenossenschaft oder beratende Ärzte.

Dies wirkt sich nachgerade lähmend auf die Gerichtsverfahren aus, weil die Rechtsuchenden nunmehr zum Spielball berufsgenossenschaftlicher Einwände gemäß Gegengutachten und Obergutachten beratender Ärzte werden.

Sowohl in den Unfallsachen als auch in den Berufskrankheitssachen verfügen die Berufsgenossenschaften über Regelwerke und Fachliteratur, denen der Rechtsuchende nicht gewachsen ist.

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Amtsermittlung im Sozialgerichtsprozeß

Amtsermittlung im Sozialgerichtsprozeß;
hier: Unterlassung der Erhebung arbeitstechnischen Beweises unabhängiger Art im Falle einer Berufskrankheit Nr. 1317 (Polyneuropathie der Beine im vorliegenden Fall)

Im konkreten Fall ist sich der 17. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, hier der Berichterstatter, im Fall L 17 U 146/09 nicht zu schade, folgendes zu formulieren:

„Daß der Senat ohne konkrete Anhaltspunkte keine neuen Ermittlungen ins Blaue hinein vornimmt und auch nicht vornehmen muß. Hier sind die Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten schlüssig und gut nachvollziehbar.“

Der Antrag des Klägers hier, welcher als Schleifer im Bereich der mechanischen Fertigung tätig war und überdies Kühlschmierstoffen ausgesetzt war und Korrosionsschutzmitteln sowie Reinigungsmitteln, ging dahin:

Beweis für die Einwirkung organischer Lösungsmittel am Arbeitsplatz des Klägers bzw. durch Nachbararbeitsplätze:

Unabhängiges arbeitstechnisches Sachverständigengutachten

Indem der Berichterstatter des Senats, d.h. des 17. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen sich dahin äußerte, dem Kläger noch Kosten aufzuerlegen, § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG, wurde zum Schutze des Klägers die Klage zurückgenommen und zugleich Antrag zur Berufsgenossenschaft hin gestellt, einen Überprüfungsbescheid bzw. Zugunstenbescheid zu erteilen und einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu diesem Antrag.

Denn der Fall ist nach wie vor nicht unabhängig ausermittelt.

Das Ansinnen, einen unabhängigen arbeitstechnischen Beweis zu erheben, wie es in jedem fairen Gerichtsverfahren Usus sein sollte, wertet der 17. Senat des Landessozialgerichts NRW – wie bezeichnet – als „Ermittlungen ins Blaue hinein“.

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