Pleuramesotheliom eines Heizungsmonteurs und Schweißers

Typischer Fall des bösartigen Pleuramesothelioms eines Heizungsmonteurs und Schweißers, der auf wechselnden Baustellen tätig und asbesthaltigen Stäuben ausgesetzt war.

Hier: Fragen des Beginns der Verletztenrente aus Anlass der Berufskrankheit Nr.4105

Der Versicherte begab sich am 24.10.2013 erstmals in Behandlung seines Pleuramesothelioms.

Er wurde stationär behandelt, wo schließlich am 18.02.2014 ein bösartiges Mesotheliom festgestellt wurde.

Die Berufsgenossenschaft setzte als Versicherungsfall und Verletztenrentenbeginn den 24.10.2013/25.10.2013 fest.

Die Verletztenrente betrug 100 % = 2/3 des Bruttojahresarbeitsverdienstes.

Tatsächlich war also hier der Versicherungsfall mit dem ersten Arztbesuch festgelegt worden, obwohl an diesem Datum die Pleuramesotheliomerkrankung voll entbrannt war.

Der Versicherungsfall, d.h. der Beginn der Verletztenrente musste also wesentlich früher eingetreten sein.

Ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden beläuft, beurteilt sich nach der freien richterlichen Überzeugungsbildung, § 287 I ZPO analog, § 202 Sozialgerichtsgesetz.

Zu Vermeidung eines früheren Rentenbeginns bestand also das Berufungsgericht darauf, den Strengbeweis anzuwenden.

Eine freie richterliche Überzeugungsbildung wurde nicht getätigt.

Der arbeitsmedizinische Gutachter Prof. Dr. N. führte unter dem 11.04.2018 aus, soweit geltend gemacht werde, die bösartige Erkrankung der Lunge habe sich bereits am 04.09.2001 bemerkbar gemacht, sei dies nicht denkbar, weil dann eine Überlebenszeit von ca. 15 Jahren angenommen werden müsse, während Überlebenszeiten von mehr als drei Jahren bei Erkrankungen an einem Lungenmesotheliom wenig wahrscheinlich seien, erst recht nicht bei unbehandelter Erkrankung.

Dies gelte auch, soweit darauf hingewiesen werde, die in Mitte 2009 geklagten Beschwerden seien durch eine Mesotheliomerkrankung verursacht worden.

Auch müsste eine Überlebenszeit von etwa sieben Jahren angenommen werden.

Es stelle sich jedoch die Frage, ob mit neueren Methoden der Bestimmung sogenannter Bio-Marker eine frühere Diagnose erreichbar gewesen wäre.

Für den vorliegen Fall sei insoweit zu konstatieren, dass das Forschungsprojekt zur Etablierung von Bio-Markern zur Früherkennung von Lungenmesotheliomen noch nicht abgeschlossen sei, jedenfalls zur Zeit der vorliegenden Erkrankung und auch keine zusätzliche Erkenntnisse hätten liefern können. Deute die klinische Symptomatik auf eine Mesotheliomerkrankung hin, so werde in der Pneumologie eine Computertomografie des Thorax gefordert, die auch hier durchgeführt worden sei. Allerdings habe sich die Erkrankung bereits in einem fortgeschrittenen Stadium gezeigt. Abschließend bleibe zu fragen, ob in der kritischen Zeit 2011 und 2013 Anlass zu häufigeren Vorsorgeuntersuchungen bestanden habe. Diese Frage sei wegen der im Jahr 2001 bereits nachgewiesenen pleuralen Veränderungen zu bejahen. Zur Früherkennung asbestbedingter Erkrankungen werde für exponierte Versicherte die nachgehende arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten. Hätte der Versicherte dieses Angebot erhalten und hiervon Gebrauch gemacht, so wäre die Diagnose seiner bösartigen Erkrankung vor dem 24.10.2013 möglich gewesen. Es gebe keinen Zweifel daran, dass die Erkrankung bereits einige Zeit vor Diagnosestellung bestanden habe. Die Tumorverdopplungszeit sei bei 17 Tumorknoten mit Werten zwischen 0,5 und 3 Monaten gemessen worden.

Lege man diese Messung vor Pleuramesotheliome insgesamt zugrunde, so folge daraus, dass das Mesotheliom des Versicherten zwischen 28 Tagen und 6 Monaten zu 25 % so stark ausgeprägt gewesen sei, wie am 24.10.2013.

Der Tumor wäre in diesem Stadium deutlich erkennbar gewesen. Bereits am 26.09.2013 hätte daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Pleuramesotheliom erkannt werden können. Die Einschätzung gehe bewusst von der kürzesten gemessenen Verdoppelungszeit aus. Abschließend führte der Sachverständige aus, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte die Diagnose mit der geforderten Sicherheit bereits am 26.09.2013 gestellt werden können, also statt am 25.10.2013.

Der Strengbeweis, den das Berufungsgericht anwandte, diesseitiger Auffassung nach zu Unrecht, verhinderte also, dass der Versicherungsfall, der auf dem Zufallsdatum der Diagnose basierte, auch nur einige Tage vorverlegt würde, also in Form der Verletztenrente von 100 %.

Allgemeine Praxis der Berufsgenossenschaften ist im Berufskrebsfall:

„Vor der Diagnose ist die anspruchsbegründende Tatsache des Eintritts des Versicherungsfalls nicht im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen.“

Das kostet die Berufskrebskranken viele Monate von Verletztenrente, die bei freier Überzeugungsbildung fällig würden.

Rolf Battenstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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Anspruch der Versicherten auf rechtsbehelfsfähigen Bescheid

Anspruch der Versicherten auf rechtsbehelfsfähigen Bescheid zur Berufskrankheit Nr. 4103 im Lungenkrebsfall, Berufskrankheit Nr. 4103

Wichtig zu wissen ist für den Betroffenen, dass er einmal Antrag stellen kann, eine Berufskrankheit Nr. 4104 festzustellen, Asbestlungenkrebs.

Zugleich aber hat ein Betroffener das Recht, auch die Berufskrankheit Nr. 4103 ins Feld zu führen und rechtsbehelfsfähigen Bescheid dieserhalb zu verlangen.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in einem Urteil L 14 U 326/15 folgendes festgehalten.:

„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). der sich der erkennende Senat anschließt, bildet jede Listen-BK, Wie-BK und jeder Arbeitsunfall jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der Unfallversicherungsträger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat. Es handelt sich um jeweils verschiedene Versicherungsfälle im Sinne des § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII.“

Das Landessozialgericht wörtlich:

„Der Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte die Feststellung u.a. der BK 4104 abgelehnt hatte, betrifft einen anderen Versicherungsfall als die von der Klägerin mit Schreiben vom 15.10.2013 geltende gemachte BK 4103. Es handelt sich daher um voneinander unabhängige Verwaltungsverfahren.“

Hat die Berufsgenossenschaft also negativ die Berufskrankheit Nr. 4104 beschieden, kann sich bei der Prüfung der Berufskrankheit Nr. 4103 herausstellen, dass der Lungenkrebs nach gebührender beruflicher Asbesteinwirkung eine Asbeststaublungenerkrankung im Sinne der ersten Alternative, Berufskrankheit Nr. 4103, ist.

Die Berufskrankheiten-Nr. 4103 ist weit auszulegen, siehe die zwingende Auslegungsvorschrift des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch I.

Rolf Battenstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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Lungenkrebs nach beruflicher Asbesteinwirkung im Elektroberuf

Lungenkrebs nach beruflicher Asbesteinwirkung im Elektroberuf soll trotz fehlender Alternativursache nicht wesentlich mitursächlich sein für die entstandene Berufskrankheit Nr. 4104

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 6 U 1765/17 , am 08.05.2018 wörtlich:

„Ohne Belang ist daher, dass der Kläger nach seiner Darlegung nie geraucht hat.“

Die Tatsache von 17 Asbestkörpern und einer nachgewiesenen vermehrten Asbestbelastung sowie die im Herbst 2017 erhobene pleuroperikardiale Schwielenbildung wären angeblich keine Brückenbefunde.

Das Begehren auf sachverständige arbeitstechnische Begutachtung zum Nachweis der Asbestfaserjahrzahl wird als unzulässiger Ausforschungsantrag abgetan gerichtlich.

Dabei zwingt die Fassung der Berufskrankheit Nr. 4104 zu der entsprechenden Beweismaßnahme.

Hier oblag dem Gericht die Ausforschung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, und zwar aufgrund der Untersuchungsmaxime, welche das Landessozialgericht geflissentlich zu übersehen scheint.

Nach wie vor ist es sehr wohl von Belang, dass der Kläger nie geraucht hat, so dass die Asbestbelastung nicht aus der Welt zu schaffen ist in seinem Fall.

Deshalb musste Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X gestellt werden und Antrag auf rechtsbehelfsfähigen Bescheid dazu.

Außerdem musste zusätzlicher Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 4103 gestellt werden, weil die Asbestose als Asbeststaublungenerkrankung definiert ist, wozu ein Lungenkrebs zählt, der nach beruflicher Asbestbelastung auftritt.

Rolf Battenstein
Fachanwalt für Sozialrecht

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Erfolgreiches Widerspruchsverfahren bezüglich der Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 4105, Pleuramesotheliom

Erfolgreiches Widerspruchsverfahren bezüglich der Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 4105, Pleuramesotheliom

Aufgrund des erhobenen Widerspruchs hat die Berufsgenossenschaft ihre Entscheidung, eine Ablehnung, überprüft und erneut den Präventionsdienst der Berufsgenossenschaft beauftragt. Dieser hat vor Ort in der Trinkhalle ermittelt und Proben genommen. Diese Proben wurden im Institut für Arbeitsschutz IFA in St. Augustin untersucht und es wurde Asbest in diesen Proben festgestellt. Sie waren somit bei den durchgeführten Renovierungsarbeiten asbesthaltigen Stäuben ausgesetzt, wie die Berufsgenossenschaft im Abhilfebescheid festhält.

Da medizinisch ein Pleuramesotheliom gesichert wurde, sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziffer 4105 der Anlage zur BKV damit erfüllt und dem Widerspruch ist abzuhelfen.

Dem Ausführungsbescheid, der noch ergehen muss, wird noch entgegengesehen.

Es geht um die Gewährung insbesondere der Verletztenvollrente an den Versicherten.

Rolf Battenstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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Pleuramesotheliom, im grenzüberschreitenden Verkehr

Berufskrankheit Nr. 4105 der Deutschen Liste, Pleuramesotheliom, im grenzüberschreitenden Verkehr;

hier: In Deutschland besteht ein Verdacht auf eine Berufskrankheit bei jedem
Mesotheliom, siehe amtliches Merkblatt des Bundesarbeitsministeriums zur
Berufskrankheit 4105, IV.

Auf Seite 2 weiter unten des Widerspruchsbescheides heißt es in einem Fall der Berufsgenossenschaft HM:

„Ihr Ehemann war in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Asbest exponiert.“

Es fragt sich, warum nicht dann bei Feststellung der Diagnose Asbestmesotheliom und bei einer stattgehabten Gefahrdung gegenüber Asbest in Deutschland die Entschädigungspflicht der Berufsgenossenschaft festgestellt wird und diese in eine Entschädigung des vorliegenden Falles eines Niederländers eintritt.

Die Leistungen in der Bundesrepublik Deutschland sind in einem Berufskrankheitsfall beachtlich.

Zu Lebzeiten fällt eine Verletztenrente von 100 % MdE an, d.h. von 2/3 des Bruttojahresarbeitsverdienstes.

Die Witwenrente wiederum macht 40 % des Bruttojahresarbeitsverdienstes aus.

Stattdessen aber verweist die Berufsgenossenschaft auf die Niederlande.

Diesbezüglich ist es auch trotz des Widerspruchsbescheides der Berufsgenossenschaft Holz und Metall zweifelhaft, dass die Niederlande über ein Berufskrankheitenrecht verfügen, bzw. ein solches praktizieren würden.

Auch wenn also die letzte gefährdende Tätigkeit in den Niederlanden verrichtet wurde von Versicherten, bewendet es bei der Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft für den vorliegenden Fall.

Bereits wenige Tage einer Asbestexposition beruflicher Art genügen, ein Pleuramesotheliom, d.h. einen sehr schmerzhaften Asbestkrebs, zu verursachen.

Die Berufsgenossenschaft behauptet im angefochtenen Widerspruchsbescheid:

„Die Zuständigkeit eines bundesdeutschen Versicherungsträgers hingegen käme im Sinne eines „zweitletzten Expositionsstaates“ nur in Betracht, wenn in dem Land der letzten Exposition (Niederlande) das Mesotheliom als asbestinduzierte Erkrankung unbekannt oder zumindest eine wie auch immer geartete Entschädigung generell nicht vorgesehen wäre.“

Vorsorglich sollte sich ein Geschädigter in jedem Fall an den deutschen Träger halten, d.h. die Berufsgenossenschaft, weil die Eintrittspflicht der Berufsgenossenschaft nicht zu übersehen ist.

Vorsorglich sollte ein Betroffener, bzw. die Witwe und die Waisen, aber auch versuchen, zusätzliche Leistungen in den Niederlanden zu erreichen, weil der Schaden bedingt durch ein Pleuramesotheliom durch Asbest irreparabel ist, was den Sachschaden anbetrifft und das Schmerzensgeld.

In der Verletztenrente der Berufsgenossenschaft soll ein Schmerzensgeldanteil enthalten sein, was so nicht erkennbar zu sein scheint.

Rolf Battenstein
Fachanwalt für Sozialrecht

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Lärmschwerhörigkeit aus dem Orchestergraben

Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit Nr. 2301 der Deutschen Liste aus dem Orchestergraben

Der Londoner Bratscher Jonathan Goldscheider gewann offenbar in I. Instanz den Prozess um ein Schalltrauma mit Hörverlust, welches in der Probe zu Wagners Walküre erlitten worden ist.

So berichtet es die Rheinische Post am 06.04.2018.

Ein deutscher Musiker bräuchte in einem solchen Fall nicht den Arbeitgeber bzw. das Opernhaus zu verklagen.

Zuständig wäre in einem solchen Fall in Deutschland vielmehr die deutsche Berufsgenossenschaft, die das Vorliegen einer beruflichen Lärmschwerhörigkeit, Berufskrankheit Nr. 2301 zu prüfen hätte und ob eine Entschädigung zu leisten ist.

Leistungen wären insbesondere die Verletztenrente, die unabhängig vom Verdienstausfall gewährt wird und die Übergangsleistungen für fünf Jahre ab Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten.

Ganz prosaisch wäre also der Orchestergraben im Opernhaus ein Lärmbetrieb, dessen Lärmquellen die Musiker während ihrer Arbeit gegenüber exponiert sind.

Im Sozialgerichtsprozess geht es dann auch nicht um eine Summe von 850.000 Euro Schadenersatz, sondern vielmehr darum, wie hoch abstrakt berechnet die MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) ausfällt.

Eine gering- bis mittelgradige Lärmschwerhörigkeit beruflicher Art ergibt einen Rentensatz von 20 % MdE, was etwa dem gleichen Prozentsatz des Nettoeinkommens entspräche.

Ohrgeräusche können den Rentensatz erhöhen.

Dies giltt insbesondere dann, wenn diese beim Einschlafen stören.

Dass ein Morbus Menière während der Probe zu Wagner Walküre schicksalhaft ausgebrochen wäre, dieser Argumentation des Opernhauses mochte die Richterin in England nicht folgen.

Der Einwand des Opernhauses in England auf zufälligen Ausbruch der Krankheit in der Probe ist der Einwand der berühmten Gelegenheitsursache, die aber meistens nicht zu beweisen ist, weil es sich dabei um eine hypothetisch-reserveursächliche Einwendung handelt.

Der Beweis ist einfach nicht zu führen, dass zum selben Zeitpunkt auch ohne die Lärmbelastung der Schaden ausgebrochen wäre.

Allerdings müssen auch hier in Deutschland die Musiker um ihre Entschädigung im Sinne der beruflichen Lärmschwerhörigkeit kämpfen.

Von alleine oder von Amts wegen werden diese Leistungen leider nicht festgestellt.

Rolf Battenstein
Fachanwalt für Sozialrecht

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Primäres Lungenkarzinom eines Dachdeckers

Primäres Lungenkarzinom eines Dachdeckers, der beruflich mit Asbest gearbeitet hat etwa beim Schneiden von Asbestzement

Ausweislich eines Urteils, Sozialgericht Düsseldorf, S 1 U 437/12, handelt es sich bei dem Kläger um ein primäres Lungenkarzinom.

Angeblich wäre eine Asbeststaublungenerkrankung in der Lunge des Klägers nicht nachweisbar.

Dabei ist der Lungenkrebs die schlimmste Folge der Asbesteinwirkung im Schadensfall.

Zielorgan ist dabei die Lunge des Dachdeckers.

Wertet man diesen Sachverhalt, stellt sich heraus, dass die Auslegungsvorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I verletzt worden sein muß.

Diese Vorschrift ist gar nicht erst herangezogen worden in dem in Rede stehenden Urteil.

§ 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch I lautet ausdrücklich wie folgt:

„Die nachfolgenden sozialen Rechte sind bei der Auslegung der Vorschriften dieses Gesetzbuches und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.“

Dass gewissermaßen zufällig die Auslegung des § 2 Abs. 2 ergibt, dass der Lungenkrebs nach erheblicher beruflicher Asbesteinwirkung eines Dachdeckers eine Asbeststaublungenerkrankung ist, indiziert nach § 2 Abs. 2 SGB I die Anwendung der Berufskrankheiten Nr. 4103, erste Alternative, unter deren Begriff der Asbeststaublungenerkrankung auch der berufliche Asbestlungenkrebs fällt.

Aber kein Sozialrichter setzt sich offenbar mit dieser Subsumtion auseinander, die im Schadensfall des Dachdeckers beim Lungenkrebs als Asbeststaublungenerkrankung einfach nicht stattfindet.

Rolf Battenstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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P R E S S E M I T T E I L U N G

P R E S S E M I T T E I L U N G

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in einer Rechtssache, L 15 U 326/16 (S 16 U 173/13 SG Düsseldorf), die Revision zugelassen, d. h. in einem Fall,

wo ein sogenanntes „Frühchen“, d.h. eine Frühgeburt im anschließenden Krankenhausaufenthalt sich infizierte an Pseudomonas aeruginosa mit der Folge einer Meningitis, was zur Lähmung der Gliedmassen führte.

Die Frage, welche dem Bundessozialgericht grundsätzlich gestellt ist, lautet dahin, ob die Infektion des „Frühchens“ im Krankenhaus als Arbeitsunfall zu entschädigen ist, d.h. als Versicherungsfall im Sinne von § 2 I 15 a Sozialgesetzbuch VII.

Dass ein ganzes Krankenhaus mit Pseudomonas aeruginosa verseucht war, führte zu diesem besonders schwerwiegenden Versicherungsfall der Frühgeburt.

Rolf Battenstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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Zufallsdatum

Zufallsdatum der Diagnose bei Eintritt eines Asbestlungenkrebs aus Anlaß der beruflichen Tätigkeit;

hier: Verspäteter Rentenbeginn erst ab Stellung der Diagnose der Berufskrankheit
Nr. 4104

In einem Rechtsstreit vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – L 10 U 694/16 – war die Frage zu entscheiden, ob die bewilligte Verletztenrente auf unbestimmte Zeit am 10.10.2012 zu beginnen hatte mit der Diagnose einer MdE von 100 %, d.h. ab dem Zeitpunkt der Diagnose also, oder ob nicht maßgeblich war der mutmaßliche Beginn der Erkrankung, hier an einem Lungenkrebs des Versicherten.

Nach § 202 SGG in Verbindung mit § 287 I ZPO analog beurteilt sich die Frage, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden beläuft, nach freier richterlicher Überzeugungsbildung.

Von einer freien richterlichen Überzeugungsbildung kann dann keine Rede sein, wenn hier formal auf die Stellung der Diagnose abgestellt wird, statt den Sachverhalt auszuermitteln.

Hätte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen § 286 ZPO beachtet, wäre die Vorverlegung des Erkrankungsbeginns an einem Asbestlungenkrebs nicht abgelehnt worden.

Das Gericht hat nämlich unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten sei.

In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fälle gebunden.

Im vorliegenden Fall indizierte die Tatsache eines Tumors der Größe 12 x 9 x 5 cm schon vor Oktober 2012 die Tatsache und Schlussfolgerung, dass dieser Tumor schon länger gewachsen war.

In freier Überzeugungsbildung hätte also das Landessozialgericht nunmehr den mutmaßlichen Beginn des Tumors bestimmen müssen.

Dazu und zu der Vorverlegung des Beginns der Verletztenrente kam es allerdings nicht.

Vielmehr verwahrte sich das Berufungsgericht gegen eine solche Schlussfolgerung, siehe Seite 7 des betreffenden Urteils.

Ein Kernsatz dieses Urteils ist:

„Wird kein Arzt aufgesucht, spricht vielmehr alles dagegen, dass eine ärztliche Behandlung objektiv erforderlich gewesen wäre.“

Ein unzweifelhaft vorher vorliegender Asbesttumor soll also objektiv nicht ärztlich behandlungsbedürftig sein.

Dieser Leitsatz führt in die Irre gewissermaßen.

Der an die Beklagte gerichtete Vorwurf der Klägerin, die beklagte Berufsgenossenschaft habe den Versicherten, d.h. den asbestkrebserkrankten Ehemann der Klägerin nicht ausreichend engmaschig überwacht, was dazu geführt habe, dass dieser nach April 2011 zunächst keinen Arzt mehr aufgesucht habe, liege neben der Sache, so das Landessozialgericht.

Denn die Berufsgenossenschaft hätte den Versicherten in regelmäßigen Abständen von ca. 2 Jahren gutachterlich untersuchen lassen.

Dass das bei einem Asbestkrebsfall nicht genügt und diesem auch nicht vorbeugt, kann nicht verwundern.

Vergeben wird bei einem zu langen Nachuntersuchungsintervall auch die Möglichkeit der Prävention.

Nicht eben höflich, wie zitiert, verneint das Landessozialgericht in diesem Fall eine engmaschigere Betreuung der Versicherten.

Es hat den Anschein, dass sozialgerichtlich eine Abstimmung unter den Richtern stattfindet, die Vorverlegung des Versicherungsfalls bei einem Asbestlungenkrebs etwa abzulehnen, mit der Begründung, man könne nicht auf die anatomische Historie des zugrundeliegenden Leidens mit Tumorgrößen und anderen Parametern abstellen, sondern allein auf die auf einem Leiden resultierende konkrete Funktionsbeeinträchtigung.

Demgegenüber heißt es an maßgeblicher Stelle des Gesetzes, § 56 Abs. 2 SGB VII:

„Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Erwerbsarbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.“

Der Tumor kann noch so groß sein, wird er nicht bemerkt, entfaltet er angeblich keine Minderung der Erwerbsfähigkeit, obwohl der Versicherte bereits wie Hund gewissermaßen gelitten haben mag.

Rolf Battenstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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Selbstbestimmungsrecht

Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedsunternehmen im Beitragsverfahren der Berufsgenossenschaft, was den Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung und Antrag auf rechtsbehelfsfähigen Bescheid dazu anbetrifft.

Bei der Frage der Überprüfung nach § 44 SGB X, ob denn das betreffende Mitgliedsunternehmen nicht als Versicherungsunternehmen zu behandeln sei mit der Gefahrklasse 0,41, statt mit der höheren Gefahrklasse, hatte das Mitgliedsunternehmen unter dem 10.04.2017 wie folgt Antrag gestellt:

„Nachdem ein unzutreffender Widerspruchsbescheid ergangen ist, wird hiermit

Überprüfungsantrag gestellt zur Berufsgenossenschaft und Antrag auf rechtsbehelfsfähigen Bescheid dazu, und zwar deshalb, um festzustellen, dass es sich bei dem Mitgliedsunternehmen um ein Versicherungsunternehmen handelt mit der Gefahrklasse 0,41.“

In Erwiderung des an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gerichteten Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X wandte sich die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft an das Sozialgericht Hamburg mit dem Bemerken:

„Deutet die Beklagte den Antrag auf Überprüfung der Gefahrklasse vom 10.04.2017, eingegangen am 13.04.2017 (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X) um und bewertet diesen als Klage.“

Das Mitgliedsunternehmen musste nun Stellung nehmen gegenüber dem Sozialgericht Hamburg, was dann auch geschah, nämlich, dass die Beklagte nicht ernsthaft einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X der kostenfrei ist, in eine Klage umdeuten kann, die kostenpflichtig ist.

Außerdem kann im Klageverfahren keine Sitzung der Widerspruchsstelle stattfinden, welche nicht nur die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu prüfen hat, sondern auch deren Zweckmäßigkeit.

Gewissermaßen mit Gewalt legt es die Berufsgenossenschaft darauf an, das Mitgliedsunternehmen vor Gericht zu bringen, in ein kostenpflichtiges Verfahren, wo in Wahrheit die Berufsgenossenschaft die treibende Kraft ist gewissermaßen, die gefakte „Klägerin“.

Die Frage des Verfassers geht dahin, ob es empfehlenswert sein kann, in die Klage bereits dann zu gehen, wenn die Widerspruchsstelle immer noch nicht dem Mitgliedsunternehmen Gehör vor der Widerspruchsstellensitzung gewährt.

Die Widerspruchsstelle der Berufsgenossenschaft hat weitergehende Kompetenzen, nämlich die Zweckmäßigkeitsprüfung vorzunehmen, also über die bloße Rechtmäßigkeitsprüfung hinaus, § 78 I 1 Sozialgerichtsgesetz.

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