Das Pleuramesotheliom als Signaltumor einer beruflichen Asbestbelastung
In der Fachliteratur wird das Pleuramesotheliom als Signaltumor einer beruflichen Asbesteinwirkung verstanden.
Das gleiche dürfte gelten für das Mesotheliom des Bauchfells oder des Pericards.
Eine andere Ursache als der Asbest ist für das Mesotheliom also insbesondere das Pleuramesotheliom nicht bekannt.
Deshalb darf man es auch der Berufsgenossenschaft nicht durchgehen lassen, wenn diese auf eine unbekannte Ursache abhebt statt den Zusammenhang zu bestätigen mit der Berufsarbeit des Versicherten.
Die Lebzeitenentschädigung gipfelt in einer Verletztenvollrente gleich 2/3 des Bruttojahresarbeitsverdienstes des Versicherten.
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Die 30-Jahres-Regel beim Pleuramesotheliom
Man möchte es nicht glauben:
Liegt ein Pleuramesotheliom weiter zurück, kann bereits aus diesem Grunde eine Ablehnung erfolgen durch die Berufsgenossenschaft, und zwar im Missverständnis der Gegebenheiten.
Im Schnitt der Fälle benötigt ein Pleuramesotheliom zu dessen Entstehung 30 Jahre.
Die Dauer der Entstehung eines Pleuramesothelioms taugt also nicht als Ablehnungsgrund, sondern weist hin auf den Zusammenhang des Pleuramesothelioms mit der Asbestbelastung, die 30 Jahre benötigt im Schnitt.
Es gibt allerdings Fälle, wo die Latenzzeit 10 Jahre betragen mag oder gar 50 Jahre.
Eine Rückfrage beim Mesotheliomregister kann zur Klärung beitragen.
Warum die Berufsgenossenschaften sich so schwer tun bei der Entschädigung von Pleuramesotheliomen, fragt sich. Wahrscheinlich tritt eine Hemmung deshalb ein, weil die Entschädigung gleich gewissermaßen in die vollen geht, nämlich bei der Verletztrenrente auf 100%.
Außerdem können schwerlich Hinterbliebenenleistungen abgelehnt werden.
Eine Zuständigkeit eines niederländischen Trägers für die Feststellung und Entschädigung der Berufskrankheit Nr. 4105 kommt nicht in Betracht, weil die Niederlande keine Unfall- und Berufskrankheitenversicherung führen.
Einen Versicherungsfall Berufskrankheit und eine darauf beruhende Leistung gibt es mithin in den Niederlanden nicht.
War also ein Versicherter asbestgefährdet in den Niederlanden und in Deutschland und kommt es zu einem Berufskrebsfall der Berufskrankheit Nr. 4105 Mesotheliom durch Asbest, ist der deutsche Träger zuständig mit den Leistungen, die in Deutschland üblich sind.
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Typischer Fall des bösartigen Pleuramesothelioms eines Heizungsmonteurs und Schweißers, der auf wechselnden Baustellen tätig und asbesthaltigen Stäuben ausgesetzt war.
Hier: Fragen des Beginns der Verletztenrente aus Anlass der Berufskrankheit Nr.4105
Der Versicherte begab sich am 24.10.2013 erstmals in Behandlung seines Pleuramesothelioms.
Er wurde stationär behandelt, wo schließlich am 18.02.2014 ein bösartiges Mesotheliom festgestellt wurde.
Die Berufsgenossenschaft setzte als Versicherungsfall und Verletztenrentenbeginn den 24.10.2013/25.10.2013 fest.
Die Verletztenrente betrug 100 % = 2/3 des Bruttojahresarbeitsverdienstes.
Tatsächlich war also hier der Versicherungsfall mit dem ersten Arztbesuch festgelegt worden, obwohl an diesem Datum die Pleuramesotheliomerkrankung voll entbrannt war.
Der Versicherungsfall, d.h. der Beginn der Verletztenrente musste also wesentlich früher eingetreten sein.
Ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden beläuft, beurteilt sich nach der freien richterlichen Überzeugungsbildung, § 287 I ZPO analog, § 202 Sozialgerichtsgesetz.
Zu Vermeidung eines früheren Rentenbeginns bestand also das Berufungsgericht darauf, den Strengbeweis anzuwenden.
Eine freie richterliche Überzeugungsbildung wurde nicht getätigt.
Der arbeitsmedizinische Gutachter Prof. Dr. N. führte unter dem 11.04.2018 aus, soweit geltend gemacht werde, die bösartige Erkrankung der Lunge habe sich bereits am 04.09.2001 bemerkbar gemacht, sei dies nicht denkbar, weil dann eine Überlebenszeit von ca. 15 Jahren angenommen werden müsse, während Überlebenszeiten von mehr als drei Jahren bei Erkrankungen an einem Lungenmesotheliom wenig wahrscheinlich seien, erst recht nicht bei unbehandelter Erkrankung.
Dies gelte auch, soweit darauf hingewiesen werde, die in Mitte 2009 geklagten Beschwerden seien durch eine Mesotheliomerkrankung verursacht worden.
Auch müsste eine Überlebenszeit von etwa sieben Jahren angenommen werden.
Es stelle sich jedoch die Frage, ob mit neueren Methoden der Bestimmung sogenannter Bio-Marker eine frühere Diagnose erreichbar gewesen wäre.
Für den vorliegen Fall sei insoweit zu konstatieren, dass das Forschungsprojekt zur Etablierung von Bio-Markern zur Früherkennung von Lungenmesotheliomen noch nicht abgeschlossen sei, jedenfalls zur Zeit der vorliegenden Erkrankung und auch keine zusätzliche Erkenntnisse hätten liefern können. Deute die klinische Symptomatik auf eine Mesotheliomerkrankung hin, so werde in der Pneumologie eine Computertomografie des Thorax gefordert, die auch hier durchgeführt worden sei. Allerdings habe sich die Erkrankung bereits in einem fortgeschrittenen Stadium gezeigt. Abschließend bleibe zu fragen, ob in der kritischen Zeit 2011 und 2013 Anlass zu häufigeren Vorsorgeuntersuchungen bestanden habe. Diese Frage sei wegen der im Jahr 2001 bereits nachgewiesenen pleuralen Veränderungen zu bejahen. Zur Früherkennung asbestbedingter Erkrankungen werde für exponierte Versicherte die nachgehende arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten. Hätte der Versicherte dieses Angebot erhalten und hiervon Gebrauch gemacht, so wäre die Diagnose seiner bösartigen Erkrankung vor dem 24.10.2013 möglich gewesen. Es gebe keinen Zweifel daran, dass die Erkrankung bereits einige Zeit vor Diagnosestellung bestanden habe. Die Tumorverdopplungszeit sei bei 17 Tumorknoten mit Werten zwischen 0,5 und 3 Monaten gemessen worden.
Lege man diese Messung vor Pleuramesotheliome insgesamt zugrunde, so folge daraus, dass das Mesotheliom des Versicherten zwischen 28 Tagen und 6 Monaten zu 25 % so stark ausgeprägt gewesen sei, wie am 24.10.2013.
Der Tumor wäre in diesem Stadium deutlich erkennbar gewesen. Bereits am 26.09.2013 hätte daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Pleuramesotheliom erkannt werden können. Die Einschätzung gehe bewusst von der kürzesten gemessenen Verdoppelungszeit aus. Abschließend führte der Sachverständige aus, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte die Diagnose mit der geforderten Sicherheit bereits am 26.09.2013 gestellt werden können, also statt am 25.10.2013.
Der Strengbeweis, den das Berufungsgericht anwandte, diesseitiger Auffassung nach zu Unrecht, verhinderte also, dass der Versicherungsfall, der auf dem Zufallsdatum der Diagnose basierte, auch nur einige Tage vorverlegt würde, also in Form der Verletztenrente von 100 %.
Allgemeine Praxis der Berufsgenossenschaften ist im Berufskrebsfall:
„Vor der Diagnose ist die anspruchsbegründende Tatsache des Eintritts des Versicherungsfalls nicht im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen.“
Das kostet die Berufskrebskranken viele Monate von Verletztenrente, die bei freier Überzeugungsbildung fällig würden.
Rolf Battenstein Rechtsanwalt Fachanwalt für Sozialrecht
Erfolgreiches Widerspruchsverfahren bezüglich der Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 4105, Pleuramesotheliom
Aufgrund des erhobenen Widerspruchs hat die Berufsgenossenschaft ihre Entscheidung, eine Ablehnung, überprüft und erneut den Präventionsdienst der Berufsgenossenschaft beauftragt. Dieser hat vor Ort in der Trinkhalle ermittelt und Proben genommen. Diese Proben wurden im Institut für Arbeitsschutz IFA in St. Augustin untersucht und es wurde Asbest in diesen Proben festgestellt. Sie waren somit bei den durchgeführten Renovierungsarbeiten asbesthaltigen Stäuben ausgesetzt, wie die Berufsgenossenschaft im Abhilfebescheid festhält.
Da medizinisch ein Pleuramesotheliom gesichert wurde, sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziffer 4105 der Anlage zur BKV damit erfüllt und dem Widerspruch ist abzuhelfen.
Dem Ausführungsbescheid, der noch ergehen muss, wird noch entgegengesehen.
Es geht um die Gewährung insbesondere der Verletztenvollrente an den Versicherten.
Berufskrankheit Nr. 4105 der Deutschen Liste, Pleuramesotheliom, im grenzüberschreitenden Verkehr;
hier: In Deutschland besteht ein Verdacht auf eine Berufskrankheit bei jedem Mesotheliom, siehe amtliches Merkblatt des Bundesarbeitsministeriums zur Berufskrankheit 4105, IV.
Auf Seite 2 weiter unten des Widerspruchsbescheides heißt es in einem Fall der Berufsgenossenschaft HM:
„Ihr Ehemann war in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Asbest exponiert.“
Es fragt sich, warum nicht dann bei Feststellung der Diagnose Asbestmesotheliom und bei einer stattgehabten Gefahrdung gegenüber Asbest in Deutschland die Entschädigungspflicht der Berufsgenossenschaft festgestellt wird und diese in eine Entschädigung des vorliegenden Falles eines Niederländers eintritt.
Die Leistungen in der Bundesrepublik Deutschland sind in einem Berufskrankheitsfall beachtlich.
Zu Lebzeiten fällt eine Verletztenrente von 100 % MdE an, d.h. von 2/3 des Bruttojahresarbeitsverdienstes.
Die Witwenrente wiederum macht 40 % des Bruttojahresarbeitsverdienstes aus.
Stattdessen aber verweist die Berufsgenossenschaft auf die Niederlande.
Diesbezüglich ist es auch trotz des Widerspruchsbescheides der Berufsgenossenschaft Holz und Metall zweifelhaft, dass die Niederlande über ein Berufskrankheitenrecht verfügen, bzw. ein solches praktizieren würden.
Auch wenn also die letzte gefährdende Tätigkeit in den Niederlanden verrichtet wurde von Versicherten, bewendet es bei der Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft für den vorliegenden Fall.
Bereits wenige Tage einer Asbestexposition beruflicher Art genügen, ein Pleuramesotheliom, d.h. einen sehr schmerzhaften Asbestkrebs, zu verursachen.
Die Berufsgenossenschaft behauptet im angefochtenen Widerspruchsbescheid:
„Die Zuständigkeit eines bundesdeutschen Versicherungsträgers hingegen käme im Sinne eines „zweitletzten Expositionsstaates“ nur in Betracht, wenn in dem Land der letzten Exposition (Niederlande) das Mesotheliom als asbestinduzierte Erkrankung unbekannt oder zumindest eine wie auch immer geartete Entschädigung generell nicht vorgesehen wäre.“
Vorsorglich sollte sich ein Geschädigter in jedem Fall an den deutschen Träger halten, d.h. die Berufsgenossenschaft, weil die Eintrittspflicht der Berufsgenossenschaft nicht zu übersehen ist.
Vorsorglich sollte ein Betroffener, bzw. die Witwe und die Waisen, aber auch versuchen, zusätzliche Leistungen in den Niederlanden zu erreichen, weil der Schaden bedingt durch ein Pleuramesotheliom durch Asbest irreparabel ist, was den Sachschaden anbetrifft und das Schmerzensgeld.
In der Verletztenrente der Berufsgenossenschaft soll ein Schmerzensgeldanteil enthalten sein, was so nicht erkennbar zu sein scheint.
Rolf Battenstein Fachanwalt für Sozialrecht
Konkurrierende Kausalitäten beim Pleuramesotheliom durch Asbest;
hier: Berufskrankheit Nr. 4105
Bei folgender Konkurrenzlage lehnt die Berufsgenossenschaft Holz und Metall einen beruflichen Zusammenhang eines Pleuramesothelioms ab:
„Nach den Ermittlungen unseres Präventionsdienstes war Ihr Ehemann während seiner beruflichen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit vom 14.02.1966 bis 31.12.1968 bei der Firma L. einer kumulativen Asbestbelastung von 1,44 Faserjahren ausgesetzt.
Daneben war Ihr Ehegatte während seiner Tätigkeiten in den Niederlanden vom 01.01.1959 bis 31.07.1964 in der Textilfabrik vom 25.09.1964 bis 06.01.2966 beim Militärdienst in den Niederlanden und vom 01.01.1969 bis 31.12.1979 in der Firma M. einer Asbestexposition von 1,15 Faserjahren ausgesetzt.“
Das niederländische Sozialversicherungssystem sehe eine gesetzliche Unfallversicherung und einen Versicherungsschutz gegen Berufskrankheiten nicht vor, so dass eine berufliche Asbestexposition während einer Beschäftigung in den Niederlanden grundsätzlich als unversichert in der deutschen Unfallversicherung anzusehen ist.
Sowohl die Asbestbelastung während der versicherten Berufstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland als auch die Asbestbelastung während der Beschäftigung in den Niederlanden war jede für sich allein betrachtet, jeweils von Art und Umfang, wie auch von der Latenzzeit her, geeignet ein Pleuramesotheliom zu verursachen.
Die Berufsgenossenschaft aber weiter:
Es ergäben sich nach Auswertung der Unterlagen keine Hinweise dafür, dass eine dieser Einwirkungen überwiegt oder ansonsten ein höheres Risiko für die Entstehung eines Pleuramesothelioms darstellt.
Es bestünden so keine Anknüpfungspunkte dafür, dass sich gerade das aus der beruflichen Asbesteinwirkung in Deutschland ergebende Risiko, an einem Pleuramesotheliom zu erkranken, verwirklicht hat.
Wie hier berufsgenossenschaftlich die Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitenversicherung übersehen wird, in dem Sinne, dass eine wesentliche Mitursächlichkeit vollkommen ausreichend ist, erscheint als einigermaßen erstaunlich in einem Fall des Pleuramesothelioms, wo der Verdacht auf eine Berufskrankheit bereits bei jedem Fall besteht, laut Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 4105.
Auf BSG in NJW 1964, 2222, muß Bezug genommen werden, wo die Rede ist von einer Kausalitätsnorm in dem Sinne, dass wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist.
Es wird der Hinweis gegeben, dass selbst eine verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung beruflicher Art sehr wohl wesentlich sein kann.
Die Kausalitätsnorm im Sinne der wesentlichen Mitursächlichkeit greift insbesondere dann, wenn der Berufskrankheitsfolgezustand nicht realiter teilbar ist in verschiedene Ursachenketten.
Dann bedeutet die Anwendung der Kausalitätsnorm gerade die berufsgenossenschaftliche Totalreparation und nicht etwa den Ausschluß der Leistungen.
Es ist nicht auszudenken, wie viele Fälle inzwischen aufgrund entsprechender berufsgenossenschaftlichen Einlassungen abgelehnt worden sind. Man könne ja nicht die konkreten Anknüpfungspunkte für eine Erkrankung in Deutschland erkennen.
In unserem Fall war der Widerspruch die logische Folge der Ablehnung durch die Berufsgenossenschaft, weshalb nunmehr die Widerspruchsstelle bei der Berufsgenossenschaft gefragt ist.
Ob hier der Arbeitnehmer und der Arbeitsgebervertreter es mitmachen, einen offenkundigen Entschädigungsfall zur Ablehnung zu bringen, bleibt abzuwarten.
In diesem Fall ist Klage zu erheben gegen den Widerspruchsbescheid, wenn denn ein solcher ergeht, woraufhin dann das Sozialgericht gefordert ist.
Pleuramesotheliome der Familienangehörigen von Asbestisolierern, Dachdeckern etc.;
hier: Diskriminierung der asbestkrebserkrankten Familienangehörigen, Kinder, Ehefrau durch die Berufsgenossenschaft und das Sozialgericht, d. h. Leistungsausschluss unter ausdrücklichem Hinweis auf die „Sonderbeziehung Familie“.
So stellt man sich gemein hin nicht den besonderen Schutz von Ehefrau und Familie durch die staatliche Ordnung vor in den Fällen, wo die ebenfalls zu Schaden kommenden Familienangehörigen krebskrank werden infolge des Haushaltskontaktes mit dem Versicherten, der die asbestkontaminierte Arbeitskleidung mit nach Hause bringt, die sodann von Ehefrau und Kindern gereinigt wird, ausgebürstet, gewaschen usw..
Das Pleuramesotheliom, die gefährlichste Berufskrebsart, die es gibt, kennt nur eine Ursache, nämlich die Asbesteinwirkung auf den Körper des Betroffenen.
Ein Verdacht auf eine Berufskrankheit der Nr. 4105 ist bereits bei jedem Mesotheliom begründet.
Aber nun zum konkreten Fall:
Das Kind bzw. die Tochter des versicherten Dachdeckermeisters d. h. berufsgenossenschaftlich versicherten Dachdeckermeisters war 7 Jahre alt, als es damit begann, des Vaters Arbeitskleidung reinigen zu helfen zusammen mit der Mutter.
Dreißig Jahre später erkrankt das Kind an einem Asbestmesotheliom, in diesem Fall an einem Bauchfellmesotheliom, das ebenfalls in der Berufskrankheit Nr. 4105 unter Schutz, d. h. Versicherungsschutz gestellt ist.
Der Antrag an die Berufsgenossenschaft zielte darauf ab, eine Entschädigung des familienanghörigen Kindes zu erreichen, Stichwort „Tätigkeit wie ein Versicherter“ § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII.
Die Vorgängervorschrift lautete § 539 Abs. 2 RVO.
Diese Vorschrift hatte man in das Sozialgesetzbuch eingefügt, um den Schutz etwa von Familienangehörigen zu bewirken, die ernstliche Handreichungen im gewerblichen Bereich erbringen.
Genau das aber, die ausdrücklich so bezeichnete „Sonderbeziehung Familie“, gereicht aber dann hier der Tochter des versicherten Dachdeckermeisters zum Nachteil, das Kind hätte ja im Rahmen der Kindespflichten gehandelt.
Bilden wir zum besseren Verständnis ein Beispiel:
Das Nachbarkind hat bei der Reinigung der Arbeitskleidung des Dachdeckermeisters mitgeholfen.
Das Nachbarkind erkrankt dreißig Jahre später an einem Pleuramesotheliom, Berufskrankheit Nr. 4105.
Hier könnte das Landessozialgericht nicht den Einwand begründen, und zwar im Sinne einer Sonderbeziehung Familie.
Der Fall wäre nach § 2 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit der Berufskrankheitenverordnung Nr. 4105 entschädigungspflichtig.
Dabei ist dann noch zu beachten, dass § 2 Abs. 2 SGB VII so auszulegen ist, dass die sozialen Rechte der Anspruchstellerin möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Die Ablehnung dieser Fälle durch Berufsgenossenschaften und Gerichtsbarkeit, hier die Sozialgerichtsbarkeit, ist nicht nur menschlich, sondern auch sozialrechtlich ein Skandal, der gewissermaßen zum Himmel schreit.
Die Betroffenen werden sich selbst überlassen von der Berufsgenossenchaft, die diese Fälle im Rahmen der Berufskrankheitsverhütung hätte verhüten müssen.
Nicht einmal an den berufsgenossenschaftlichen Überwachungsuntersuchungen dürfen die Familienangehörigen teilnehmen, die so asbestgefährdet tätig waren und asbestkrebskrank werden.
Die Sozialrichter fachsimpelten in der betreffenden mündlichen Verhandlung darüber, wieviel Stunden die Mitarbeit des Kindes im Familienhaushalt Pflicht des Kindes ist.
Die Verwechslung objektiver Kriterien im Sinne der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitenversicherung mit der subjektiven Vorstellung des versicherten Kindes ist Kernbereich der Anwendung der sog. finalen Handlungstendenz, einer Berufsgenossenschaftlichen Konstruktion, die es indiziert, den gewerblichen Bereich mit dem Privatbereich der Familie zu verwechseln.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass bereits wenige Tage einer Asbestbelastung dreißig Jahre später die Entstehung eines Pleuramesothelioms verursachen können.
Im Fall des LSG NRW – L 15 U 484/16 – betrug die Asbestexposition einen Zeitraum vom 7. Lebensjahr, d. h. von 1970 bis ca. 1981.
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Asbest:
Verdacht bei einem Pleuramesotheliom auf eine Berufskrankheit der Nr. 4105
Im amtlichen Merkblatt des BMA heißt es zur Berufskrankheit-Nr. 4105:
„Ein Verdacht auf eine Berufskrankheit der Nr. 4105 ist bereits bei jedem Mesotheliom begründet.“
Gem. einer Kommentarstelle Berufskrankheitenverordnung (BKV) Mehrtens/Brandenburg ist festzuhalten:
„Die Korrelation zwischen Mesotheliomerkrankungen und Asbestexposition ist so deutlich, daß der Verdacht auf eine Berufskrankheit bei jedem Mesotheliom begründet ist.“
Demzufolge verpflichte bereits die sichere Diagnose den Arzt zur Erstattung der Berufskrankheitenanzeige, auch wenn zunächst eine offensichtlich berufliche Asbesteinwirkung nicht greifbar erscheint.
In drei Asbestmesotheliomfällen, d. h. also Pleuramesotheliomfällen, in welchen also die Berufsgenossenschaft allen Ernstes die Exposition bestritten hatte, gelang der Nachweis der Asbestexposition im Gerichtsverfahren, und zwar im Berufungsverfahren, so daß die Berufsgenossenschaft anerkennen mußte oder dahingehend verurteilt wurde.
Ein Fall betraf einen Journalisten von dpa, der in Moskau beruflich eingesetzt war und dort eine Asbestexposition erlitten hatte.
Der nächste Fall betraf einen Versicherten, der in einem Stahlwerk arbeitete bzw. bei Sandvik.
Der dritte Fall, der erfolgreich erstritten werden konnte, betraf eine Zahnarzthelferin, die durch gelegentlichen Asbestkontakt im Zahnarztlabor, wo Muffelringe Einsatz fanden, mit asbesthaltigem Vlies, gefährdet war.
Erlebt die Erkrankte die berufsgenossenschaftliche Entschädigung bzw. berufsgenossenschaftliche Anerkennung noch zu Lebzeiten, gibt es eine Verletztenrente von 100% MdE.
In den meisten Fällen sind die Betroffenen allerdings verstorben, wenn die berufsgenossenschaftliche Anerkennung erreicht wird.
Dann handelt es sich um die Leistungen wie Witwen- und Waisenrenten.
Außerdem kommt ein Sterbegeld in Betracht.
Ein Fall eines Pleuramesothelioms, bei welchem angeblich kein Asbestkontakt feststellbar wäre, so die Berufsgenossenschaft, beschäftigt augenblicklich das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.
In der fraglichen Zeit waren die Atemwegsmasken, welche die versicherten Bergleute trugen, asbesthaltig.
Die Berufsgenossenschaft wendet nun ein, die Bergleute hätten aber die Atemschutzmasken keineswegs angelegt.
Dagegen steht nun eine Veröffentlichung aus März 2013, in der die damaligen Schutzmaßnahmen einschließlich der Atemschutzmasken bezeichnet sind.
Während der Sachverhalt und die Rechtslage eindeutig sind, muß die Witwe gegen eine berufsgenossenschaftliche Ablehnung kämpfen.
Gleichwohl gilt auch hier:
„Ein Verdacht auf eine Berufskrankheit der Nr. 4105 ist bereits bei jedem Mesotheliom begründet“.
Von Rechtswegen wäre die Berufsgenossenschaft hier in Beweisnot für die widersinnige berufsgenossenschaftliche Einwendung, die asbesthaltigen Schutzmasken wären in Wirklichkeit gar nicht getragen worden.
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Pleuramesotheliom eines Maurers, Familienvater mit vier Kindern – Todeseintritt 23.03.1986
Unserer Kanzlei wurde 2008 der Ablehnungsbescheid vom 06.11.1987 vorgelegt, und zwar vom Sohn des Erkrankten, welcher bereits nach seinem Inhalt ergab, daß die Berufsgenossenschaft entschädigungspflichtig sein mußte.
Denn es stand die Diagnose eines Pleuramesothelioms fest und die Berufsgenossenschaft mochte ausdrücklich eine Einwirkung von asbesthaltigen Mischstäuben nicht ausschließen.
Daß gleichwohl eine Ablehnung gegenüber der Witwe erfolgte, was die Gewährung von Witwenrente und Sterbegeld anbetrifft, war bereits nach dem Bescheid vom 06.11.1987 nicht nachvollziehbar.
Urheber dessen war die Bau-Berufsgenossenschaft Hannover.
Es kostete einige Mühe, die Witwe davon zu überzeugen, hier einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X und Antrag auf rechtsbehelfsfähigen Zugunstenbescheid zu stellen.
Bei näherem Hinsehen ergab sich dann, daß gegenüber den vier Waisen überhaupt keinerlei rechtsbehelfsfähiger Bescheid damals erteilt wurde, so daß deren Feststellungsverfahren bis zum Jahr 2008 offengeblieben waren.
Insofern konnte diesseitiger Auffassung nach auch keine Verjährung eingetreten sein, welche die Berufsgenossenschaft dann behauptete, als man schließlich das Pleuramesotheliom aufgrund unseres Antrages anerkennen mußte.
Nachdem auch hinsichtlich der Lebzeitenleistungen kein rechtsbehelfsfähiger Bescheid ergangen war, etwa an die Sonderrechtsnachfolgerin unter Hinweis darauf, was die Sonderrechtsnachfolge anbetrifft, stehen auch diese noch offen.
Der Fall war zu Lebzeiten des Familienvaters gemeldet worden.
Im Streit ist also nunmehr, ob die Waisenrenten vor dem 01.01.2004 verjährt sind und nicht mehr zu zahlen, oder ob das Feststellungsverfahren insofern offengeblieben war bis in die jüngste Zeit.
Die Akteneinsicht ergibt gelegentlich, daß ein Teil der Verfahren des betreffenden Falles offengeblieben ist, so daß die Nachzahlungen der Berufsgenossenschaft weit zurückreichen können, wenn man dies durchsetzt.
Abgesehen davon sind dann die Leistungen auch zu verzinsen, ein nicht unerheblicher Punkt.